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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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und die drei Räume nach hinten raus. Ich stellte mich zwischen die Mäntel und wartete. Alles, was ich gelernt hatte, kam wieder, ich hatte nichts vergessen. Jungen und Lehrer gingen an mir vorbei, aber sie sahen und hörten mich nicht. Ich konnte stundenlang still stehen, konnte den Schmerz aushalten, der sich durch mein Bein fraß, ihn sogar ignorieren.
    Ich hörte es klatschen und zählte mit. Viermal, fünfmal. Das sechste Mal ließ ich mir noch gefallen. Drei Schläge auf jede Handfläche mit dem Lederriemen, mehr durften es nicht sein. Aber dann hörte ich den siebten und den achten. Den neunten, den zehnten. Ich hörte den Protest, der vierundfünfzig Zeugen in der Kehle stecken blieb, die stumme Empörung. Und die Angst. Ich war draußen. Die Jungs waren drin und sahen zu, wie ein Rohling die Kontrolle über sich verlor.
    Die Drei-Uhr-Glocke –
geht heim, geht heim.
Ich kam hinter den Mänteln hervor, als die Tür aufging und die Jungs einer nach dem anderen langsam rauskamen. Noch blass und verängstigt, aber bereit zu lachen und so zu tun, als wäre nichts gewesen. Schwer zu erkennen, wen es diesmal getroffen hatte. Aber ich sah ihn. Und ich würde ihn mir merken.
    Dann stellte ich mich unter die Tür und wartete auf den Lehrer. Es war Mister Mulhare. Wie er mit Vornamen hieß, wusste ich nicht, für meinen Job war das nicht nötig.
    Er machte zuerst den Mund auf.
    – Na, dann legen Sie mal los, Henry, sagte er.
    Er hatte seine Tasche, die
mála scoile
, unter dem Arm und versuchte, um mich herumzugehen.
    Ich rührte mich nicht.
    Er war jung, noch in den Zwanzigern.
    –
Den Fensterriegel da drin müssen Sie sich mal ansehen, sagte er.
    Ich hatte mich immer noch nicht gerührt, aber jetzt war ich mit einem Schritt bei ihm und machte die Tür mit dem Absatz zu, mit genau dem richtigen Schwung, ohne einen lauten Knall oder Abpraller. Er wich zurück und wäre dabei fast hingefallen. Die Tasche wollte ihm unter dem Arm wegrutschen, er hielt sie mit beiden Händen fest.
    – Scheiß auf den Fensterriegel, sagte ich.
    Er war klein und stämmig. Die Familie kam aus den Bergen. Aber er hatte Angst. Er versuchte den Empörten zu spielen, aber das klappte nicht.
    – Wenn ... sagte ich.
    Ich trat ihm auf den Fuß und kam mit meinem Körper hinterher. Ich war wieder groß.
    – ... wenn ich jemals wieder höre, dass Sie einen der Jungs schlagen ...
    Ich blieb ganz still stehen.
    – ... bringe ich Sie um. Ganz langsam. Haben Sie mich verstanden, Mister Mulhare?
    – Wie meinen Sie das?
    Ich schlug zu.
    Ich schallerte ihm eine, dass es von den Wänden und Landkarten widerhallte.
    – Sie wissen, wie ich es meine. Wenn ein Junge sich schlecht benimmt, dürfen Sie ihn schlagen.
    Er umklammerte immer noch die Schultasche. Er hatte sich noch nicht ans Gesicht gefasst, an die Stelle, wo ich ihn getroffen hatte und die allmählich rot anlief.
    Er war fast bis an sein Pult zurückgewichen, und ich ging hinterher.
    – Höchstens sechsmal, sagte ich. – Aber nur für Todsünden. Alle Jubeljahre mal. Haben Sie mich verstanden, Mister Mulhare?
    Ich schenkte mir jeden Hohn, legte keine besondere Betonung auf seinen Namen oder das
Mister
.
    Er nickte.
    – Gut, sagte ich. – Weil ich nämlich draußen warten und zählen werde. Wenn ich weiter als bis sechs zählen muss, sind Sie tot.
    Ein kräftiger Stoß in seinen Bauch erinnerte mich an meine gebrochenen Finger.
    Er ließ die Tasche fallen.
    – Oder Sie würden sich wünschen, dass Sie tot wären.
    Ich trat zurück.
    – Wenn irgendjemand davon erfährt ... Muss ich mehr sagen?
    Er schüttelte den Kopf.
    – Ist ein ganz schöner Schock, sagte ich. – Das ist mir klar. Ich bin schließlich nur der Hausmeister.
    Er nickte. Reden konnte er noch nicht wieder.
    – Ihr Daddy hat Ihnen doch sicher vom Unabhängigkeitskrieg erzählt.
    Er nickte.
    – Und bestimmt auch, dass er im dicksten Gewühl mitgekämpft hat.
    – Ja, sagte er und hob seine Tasche auf.
    – Und ich wette, Sie haben ihm nie so richtig geglaubt.
    – Er hat einen Orden.
    – So einen Scheißorden haben die alle.
    Ich schlug nicht zu.
    – Ich war dabei, Mister Mulhare, sagte ich. – Und hab nie einen Orden gekriegt. Und hatte keine Farm, auf die ich zurückgehen konnte.
    Ich hatte es nicht darauf angelegt – aber die Worte waren plötzlich da, kamen aus dieser alten Wunde gleich hinter meinen Rippen. Ich war wieder ganz dicht an ihm dran. Die Schultasche war zum zweiten Mal hingefallen. Ich schob sie mit

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