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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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Sprache.
    Er nickte.
    – Sind Sie meiner Meinung?
    – Ja, sagte er.
    – Na also.
    Ich sah ihm die Angst an und auch die Vorfreude. Er konnte es kaum abwarten, bis es geläutet hatte und auch er in der Lounge Bar eine Geschichte auspacken konnte. Er war ein hässlicher Zwerg, aber das war unwichtig.
    – Ich weiß, was Sie hier leisten, sagte ich. – Aber wir sind nicht im Krieg, und diese Jungs sind nicht die Briten. Alles klar?
    – Ja.
    – Ich bin auf Ihrer Seite.
    Kaum zu glauben, aber wahr: Er kroch mir in den Arsch!
    – Wir ziehen an einem Strang, sagte ich.
    Mulhare und die anderen warteten wohl schon draußen, eins der Autos gehörte McCauley.
    – Schönes Wochenende, sagte ich.
    Er hatte keine Wochenenden. Er ließ die Jungs am Samstag in die Schule kommen – er hatte seine eigenen Schlüssel –, und am Sonntag korrigierte er Arbeiten. Aber er hatte seinen Freitagabend.
    Ich ging.
    Fünfzehn Jahre lief es in der staatlichen Jungenschule von Ratheen zivilisierter als irgendwo sonst in Irland. Kein Kind wurde geschlagen außer an den Tagen, an denen ich zu Hause blieb. Ich hatte innerhalb des Schulgeländes meine eigene Republik geschaffen. Es war ein gutes Leben.
    – Hi, Hoppy!
    Ich hätte gern die Subtraktion abgeschafft. Addition und Multiplikation waren okay –
zwei und zwei?
–, nur fürs Abziehen sollte es in meiner Republik keinen Raum geben. Aber dann machte ich es doch nicht. Ich konnte die Wirklichkeit nicht abschaffen, die Tiefschläge und Kümmernisse, die auf der anderen Seite des Zauns lauerten. Zwei und zwei war vier, zwei minus zwei war null Komma nichts. Ich wollte sie nicht formen, das würden sie selber besorgen. Früher oder später gingen sie dann auf eine weiterführende Schule, ans Technikum oder auf den Bau und wussten nicht, die armen kleinen Hosenscheißer, wie ihnen geschah, wenn die Christlichen Brüder und andere Kräfte von außen ihre Schläger auf sie losließen. Aber die Jahre an meiner Schule hatten gereicht, um ihnen zu zeigen, dass es einen anderen Weg gab, und dieses Wissen begleitete sie.
    Ich lebte in meinem Land und mochte es. Einmal in der Woche wachte ich neben einer Frau auf. Sie war älter als ich, aber die erste, die ich nach über zwanzig Jahren anrührte. Am Samstagnachmittag brachte ich ihren Garten in Ordnung, für zwei Pfund und mein Essen.
    Geredet wurde nichts, und es gab kein Geknutsche und keine Peinlichkeiten. Am zweiten Samstag ging ich einfach nicht heim. Sie kam raus und versteckte das Fahrrad, ging wieder rein und machte im ganzen Haus das Licht aus. Ich ging hinter ihr her die Treppe hoch. Ich war nicht aufgeregt, mir war alles gleich. Sie ließ mir ein Bad ein und ging weg. Ich nahm das Bein ab und stieg in die Wanne.
    Sie sagte kein Wort. Nicht, als ich ihr ins Schlafzimmer folgte, als ich mich aufs Bett setzte und das Bein neben mir auf dem Teppich deponierte; als ich den Schlafanzug anzog, den sie zurechtgelegt hatte; als ich mich mit einem Seufzer neben sie legte und Betttuch, Woll- und Steppdecke über mich zog. Als ich zur Seite schaute und sie zu sehen versuchte. Ich sah die spitze Nase, die zur Decke zeigte. Ich hörte sie atmen.
    – Du musst morgen früh raus.
    – Von mir aus.
    – Sehr früh.
    – Von mir aus.
    – Mitsamt dem Fahrrad.
    – Kein Problem.
    – Ohne Krach zu machen. Trag das Rad, bis du an der Ecke bist.
    – Keine Bange, hab schon kapiert.
    – Ich bin zu alt für romantischen Unsinn.
    – Alles klar.
    – Brauchst du den Wecker?
    – Nein.
    – Bestimmt nicht?
    – Nein, ist okay.
    Das war’s. Wir hörten einander beim Atmen zu, und wir schliefen. Als ich aufwachte, war es noch dunkel. Ich verließ das Haus, holte das Rad aus dem Schuppen und trug es auf dem Rücken nach vorn. In den Nachbarhäusern und gegenüber war kein Licht. Ich ging mit dem Rad auf dem Buckel noch ein Stück weiter, dann setzte ich es ab und schob es nach Hause.
    Am nächsten Samstag brachte ich das Rad gleich in den Schuppen und holte den Rasenmäher raus.
    – Du fährst nicht Rad? fragte sie.
    Sie kam immer auf einen Schwatz zu mir, wenn sie mich sah. Immer nach draußen, im Haus passierte das nie. Ich war Henry der Gärtner.
    – Geht nicht, sagte ich.
    – Dein Bein.
    – Genau. Zu gefährlich.
    Sie fragte nie, wo das Bein abgeblieben war. Ich fragte sie nie nach der Frau in der Cumann-na-mBan-Uniform auf dem Foto, das an der Wand hing. Es war keine gute Aufnahme, und der Fotograf war mit seiner Kamera zu weit weg von seinem Motiv

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