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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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Richtungsänderung, das Ausweichmanöver. Ich sah auf und erkannte O’Naughton, der für die ganz Kleinen zuständig war. Er lächelte mir erschrocken zu.
    Sie wussten es. Mulhare hatte in sein Bier geheult und es ihnen gesteckt: Der Hausmeister ist einer der wichtigen Männer. Der junge Mulhare hatte sich wohl inzwischen wieder berappelt und genoss die Beachtung. Die Mädchen aus der Heimat, die Pflegerinnen und Tippsen, saßen mit ihrem Sprudelwasser dabei, und er wischte sich die Nase an einer Schwesternschulter ab. Später, auf ihrer Bude, hat er dann seine Belohnung gekriegt, eine hektische Nummer in Schuhen und Socken, weil sie ihn rasch wieder loswerden musste, um die anderen Mädels reinzulassen, die draußen im Regen warteten.
    Den Jungs im Lehrerzimmer hatte ich also Angst eingejagt, aber auch Eindruck gemacht. Sie sahen sich vor. Sie hatten dank Mulhare ihre Lektion gelernt. Aber ich hatte ihnen auch Gutes gebracht. Mulhare hatte bei einer flotten Braut landen können, weil ich in der Geschichte vorgekommen war, die er an jenem Freitagabend in einer dieser neumodischen Lounge Bars rausgeheult hatte, in die sich auch berufstätige Mädels vom Land setzen konnten. Auch davon wird er den Jungs erzählt haben – stolz, unter der Hand, bei Tee und Keksen am Montagvormittag im Lehrerzimmer. Es hatte bei ihm funktioniert, warum also nicht auch bei ihnen? Der Segen vom alten Henry ... Sie brauchten am nächsten Freitag nur was mitzubringen, eine eigene Geschichte oder nicht mal das. Ein Gruß, ein Nicken, ein Streifen von Schulter an Schulter auf dem Gang reichte, damit sie alles geregelt kriegten. Ich sah es, nachdem der erste Schock von Mulhares Geschichte sich gelegt hatte. Sie hatten es seinen großen Augen angesehen, als er näher an sie rückte und Schmutz und Schund durch den Dampf flüsterte, der von ihrem Tee aufstieg.
    Ich wurde ihr Leprechaun und ihr Lude. Ich versorgte sie mit Weibern, die ich nie kennenlernen sollte. Am Freitagnachmittag war für mich Großkampftag. Nach der Pause ging ich Streife, damit die Angst nicht verloren ging. Ich ließ mir von einem Schuster in Killester einen Stiefel mit Nägeln beschlagen. Jetzt hörten sie auf den Fliesen, wie ich auf sie losging – klack klack. Der alte IRA-Mann, der sein Bein für das Land verloren hatte, ihr Land. Dass die Schuhnägel an dem gesunden Fuß waren, spielte keine Rolle, wichtig war das Geräusch, die Nägel sicherten den Frieden.
    Manche wurden mutig und fingen an rumzuschreien, wenn sie die Nägel kommen hörten. Die Klassenzimmer waren voll von schlecht gespielter und manchmal auch echter Wut, die sie die ganze Woche hatten unterdrücken müssen.
    – Nennst du das eine gerade Linie?
    Ein Staubtuch flog an die Tafel.
    – Nein nein nein! Du
amadán
!
    Manchmal schluckte ich den Köder, sie sollten merken, dass die fliegende Kolonne noch aktiv war. Ich stellte mich an die Tür, wenn die Schüler weg waren. Die Lehrer warteten meist schon.
    – Ich hab Sie hier rumbrüllen hören, sagte ich zu McCauley. Er hatte die zweiundvierzig Jungs aus der Sechsten unter sich, allesamt Stipendiumsanwärter.
    – Ach ja?
    – Yeah.
    – Und?
    Er war etwas älter als die anderen und stand unter Druck. Man sah es an seinen Augen, ja sogar an seinem Gang. Er kriegte jedes Jahr die gleiche Klasse, weil er gut genug und angsteinflößend genug war, um Jungen, deren Eltern nicht lesen konnten, auf Erfolg zu trimmen. Allein auf sich gestellt – selbst sein Klassenzimmer war getrennt von den anderen nur über eine kleine Treppe zu erreichen –, musste er diese Kids an die weiterführenden Schulen bringen, damit in der Dubliner Northside eine Mittelschicht entstehen konnte, die seinen guten Namen und den der Schule festigen sollte. Es war grausam. Und er war noch mehr unter Druck, seit ich mir Mulhare zur Brust genommen hatte, weil er nun nicht mehr so viel Angst und Schrecken verbreiten konnte, wie nötig gewesen wäre. Er hatte seit Wochen keinem Jungen mehr eine gebimst.
    – Gegen einen Anschiss ab und zu hab ich nichts, sagte ich. – Aber
amadán –
das heißt Idiot, nicht?
    – Mehr oder weniger.
    Ich schlug zu, traf ihn seitlich im Gesicht, es würde einen Bluterguss geben, aber gebrochen oder gequetscht war nichts. Seine Brille verrutschte, blieb aber auf dem Kopf.
    Ich ging ganz nah an ihn ran. Er wischte mit dem Rücken seines Pullovers an der Tafel lang.
    – Sie müssen Ihre Arbeit machen, sagte ich, – aber kein Kind ist ein Idiot. In keiner

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