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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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dem Holzbein beiseite, das Knie machte mit.
    – Falls Ihr Dad tatsächlich mittendrin mitgekämpft hat, dann deshalb, weil ich ihn da hingeschickt habe. Wo sind Sie her, Mister Mulhare?
    – Kilkenny.
    – Da kenn ich jeden Zentimeter. Jeden Graben, jedes Versteck. Lebt Ihr Dad noch?
    – Ja.
    – Das hat er mir zu verdanken.
    – Danke.
    – Gern geschehen. Sie verstehen mich.
    – Ja.
    – Ihr Dad und seine Brüder und Vettern haben meine Befehle ausgeführt. Und das werden auch Sie tun.
    – Ja.
    – Merken Sie sich eins, sagte ich. – In all den Geschichten, die Sie von Ihrem Dad gehört haben, komme ich vor, buchstäblich in allen. Ich war da. Und jetzt bin ich wieder zurück.
    Ich war abgekämpft – damit war ich zu weit gegangen, ich war ein Großmaul. Der Lehrer sah das offenbar nicht so. Er zitterte und versuchte, sich wieder in den Griff zu bekommen.
    Ich machte die Tür auf.
    – Ich höre genau hin, sagte ich.
    Ich stieg aufs Dach, um meinerseits eine Runde zu zittern. Mulhare ging über den Hof zum Schultor und von da zu der Bushaltestelle auf der Main Road. Ich wartete, bis sich mein Zittern gelegt hatte, stieg vom Dach, schloss ab und ging nach Hause.
    Am nächsten Morgen ging ich absichtlich dicht an ihm vorbei.
    – ’n Morgen, Mister Mulhare.
    – Guten Morgen, Henry.
    – Ich hab den Fensterriegel gerichtet, sagte ich.
    – Ah ja, vielen Dank.
    – Kein Problem, für so was bin ich ja da.
    Unter der Tür zu seinem Klassenzimmer blieb er stehen. Er lächelte den Jungs zu, die an ihm vorbeigingen, jeder kriegte ein breites Grinsen ab. Er sah mich an und machte die Tür zu. Ich erledigte, was in meinem Job so anfiel, und horchte. Mulhare ließ das Leder kein einziges Mal sausen.
    Ich übertrieb es nicht. Ich ließ ihn in Ruhe und die anderen auch. Ich wusste, dass sich die Jüngeren freitags, wenn sich die Schule geleert hatte und alle Tafeln gewischt waren, auf ein Bier zusammensetzten. Ich sah, wie sie sich um die Autos scharten, gierig nach dem Alkohol, wie sie wieder zu Jungen wurden, die lauter lachten als nötig. Drei Autos und siebzehn Mann. Sie tranken nicht am Ort, sondern waren schlau genug, ein Stück weiter raus oder in die Stadt zu fahren. Meinen Segen hatten sie. Ich wusste, dass Mulhare früher oder später quatschen würde. An einem Freitagabend, wenn er ein paar Kurze intus hatte, würde alles rauskommen. In einer der Bauernkneipen, an der Schulter einer dicken Krankenschwester aus der Heimat. Er würde ihnen erzählen, was passiert war. Oder er würde es ihr erzählen, würde es ihr feucht ins Ohr flüstern. Und sie würde es weitergeben, wenn er aufs Klo gegangen war, um zu kotzen, sie würde es ihrer Nachbarin zuflüstern oder einem der Lehrer oder seinem Vetter, dem Polizisten, bei dem sie auf dem Schoß saß. Bis er sich ausgekotzt und sauber gemacht hatte, war die ganze Geschichte garantiert im Pub herum und durch die Hintertür nach draußen geflogen, die Band in der Ecke würde sie in Töne setzen.
    Ich ließ den Job ein bisschen langsamer angehen, betonte mein Hinken, arbeitete weniger. Niemand beschwerte sich. Die Schule brach darüber nicht zusammen. Notfälle waren selten und schnell behoben – eine undichte Wasserleitung, verstopfte Klos, hier und da eine kaputte Fensterscheibe.
    Ich stand auf dem Hof, den Fedora, meinen Filzhut, auf dem Kopf, und stieß einen Besenstiel in einen mit Kieselsteinen verstopften Abfluss. Die Steine nahmen die Jungs für ein Spiel, mit dem sie seit Monaten zugange waren. Ein warmer Tag. Der Hof senkte sich leicht auf allen Seiten zur Küste und zu dem Abfluss in der Mitte hin. Es goss in Strömen, das erste Mal in diesem Sommer – wir hatten Juni –, und der Hof drohte zu überfluten. Ich hatte mich hingekniet und schon Hände voller Kiesel aus dem Loch geholt, zusammen mit Bonbonpapier und Zigarettenstummeln und alten Brotkrusten und Asseln und langen Würmern. Aber da unten waren noch genug Steine, eine ganze Trockenmauer, die das Regenwasser stauten. Ich zerstampfte sie mit dem Ende des Besenstiels zu Matsch, es war kein Spaß, jeder Stoß war ein weicher Jungenschädel.
    Ich sah Blasen aufsteigen, immer mehr Blasen – die Kiesel waren so weit beiseitegeräumt, dass das Regenwasser ungehindert in den Abfluss rauschen konnte. Mein Arbeitstag war praktisch vorbei. Ich ging über den Hof zu meinem Büro. Den Hut hatte ich tief in die Stirn gezogen, den Mann selbst konnte ich deshalb nicht sehen, aber ich sah die Füße, die jähe

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