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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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hielt eine freundliche Sekunde lang meine Sohlen fest, ehe er mich wieder freigab. Alles war neu. Die Lehrer waren jung. Der Direktor war ein Gentleman. Die Wände rochen noch immer gut nach frischer Farbe, selbst an Regentagen, wenn auf den Gängen zwischen den Reihen nasser Mäntel kaum mehr ein Durchkommen war.
    Endlich hatte ich eine Schule gefunden, die mich haben wollte. Ich kümmerte mich um ein Gebäude, das nicht am Einstürzen war. Und einmal ertappte ich mich bei dem Gedanken: James Connolly hätte das gefallen. Ich rief mich zur Ordnung: Es war nur eine Schule, verdammt noch eins. Aber ich drehte zufrieden meine täglichen Runden, fegte den Hof, reparierte den tropfenden Wasserhahn, gab Desinfektionsmittel in das Urinal und hörte, wie es sich zischend in die Fliesen fraß.
    Das ruhige Leben machte mich wieder gesund.
    – Sie haben uns im Stich gelassen, Henry.
    Ich sah hoch: Missis O’Kelly – vor dem Metzgerladen auf der Main Road. Ich hatte gerade eine Portion Kalbsleber gekauft, die lag schwer und nass in meiner Hand und durchweichte langsam, aber sicher das braune Papier. Aber mein Einkaufsnetz wollte ich nicht rausnehmen, das blieb schön in meiner Manteltasche. Die Alte war in der Cumann mBan gewesen; ein Mann hatte seine Knarre dabei und kein Einkaufsnetz.
    – Hallo, Missis O’Kelly, sagte ich. – Schöner Tag heute.
    Es regnete nicht. Das Einzige, was tropfte, war das Blut aus der Tüte, die ich in der Hand hielt.
    – Haben Sie sich zur Ruhe gesetzt? fragte sie.
    – Nein, das nicht.
    Ich hielt mich so gerade, wie ich konnte.
    Ihre Augen waren braun und jünger als die ganze Frau.
    – Hab mich verbessert. Neuer Job.
    Sie sah auf mein Knie herunter. Auf beide Knie.
    – Alles okay, sagte ich. – Hab seither keinen Ärger mehr gehabt. Ich kümmere mich um die Jungenschule.
    – Als Hausmeister?
    – Ganz genau.
    – Und wer kümmert sich jetzt um meinen Garten? fragte sie. – Er ist schon ganz verwildert.
    Sie hätte ohne weiteres selber in den Garten gehen und die Wildnis zähmen können, schließlich hatte sie mich auch problemlos in ihr Haus getragen. Aber darum ging es nicht. Ein schöner Garten machte sich besser, wenn darin ein nützlicher kleiner Wicht stand oder kniete. Und ich wusste, wie sie auf meine Knie geschaut hatte.
    Das Vorortleben hatte mich schon angekratzt. Ich versuchte die Jahre zurückzudrehen.
    – Ich könnte am Samstag vorbeikommen.
    – Gut, sagte sie, als wäre ich endlich zur Vernunft gekommen. – Dann ist das abgemacht.
    Ich hörte den Knall, als ich noch draußen auf dem Dach war. Irgendein armer Teufel hatte die Tintenflasche fallen lassen.
    Als ich wieder unten war, zeigte der Direktor dem Jüngelchen gerade, wie man mit einem Mopp umgeht. Der Kleine schniefte und war wohl immer noch auf das Schlimmste gefasst, aber sein Körper begriff allmählich, dass er keine Prügel beziehen würde. Der Direktor – ich will dem Mann seinen Namen geben: Mister Strickland – hatte die Glasscherben zur Seite gefegt und fuhr mit dem Mopp über die Fliesen wie einer, der das nicht zum ersten Mal machte und der Spaß daran hatte.
    – Danke, Henry, sagte er. – Ich bin dir zuvorgekommen.
    – Ich war auf dem Dach.
    Dazu sagte er nichts. Er tunkte den Wischerkopf in den Eimer und quetschte ihn aus.
    – Komm jetzt her, Peter, sagte er.
    Peter war mager und vielleicht zehn. Er stieß sich von der Wand ab, ging langsam auf Strickland zu und passte auf, dass er nicht in den blauen Seifenschaum trat.
    Strickland streckte ihm den Stiel des Mopps hin.
    – Jetzt bist du dran, sagte er.
    Peter zögerte, und ich wartete auf einen schnellen Stoß mit dem Stiel auf Peters Bauch. Ich wusste, dass es nicht dazu kommen würde, rechnete aber trotzdem damit. Peter nahm den Stiel, neben dem er wie ein Zwerg wirkte.
    – Na los, sagte Strickland. – Mal sehen, was in dir steckt.
    Er trat zurück und machte Peter Platz. Der hielt den Mopp wie einen Leprastab und fühlte sich überhaupt nicht wohl in seiner Haut.
    – Worauf wartest du? fragte Strickland.
    Wir sahen zu, wie dem Jungen der Mopp aus der Hand rutschte. Er hob ihn auf und wischte den seifigen Schaum ab. Die Tinte war billig – gefärbtes Wasser –, so dass es auf dem Holz keine Flecken geben würde.
    – Na also, sagte Strickland.
    Er nahm Peter den Mopp ab.
    – Jetzt hör mir mal genau zu, Peter, sagte er. – Wenn du in der Schule fleißig bist, hast du vielleicht heute zum letzten Mal einen Mopp in der Hand gehabt.
    –

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