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Die Rückkehr des Poeten

Die Rückkehr des Poeten

Titel: Die Rückkehr des Poeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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jemandem die Hand schütteln will, und der Betreffende sie nicht sieht oder einfach übersieht. Ich ließ die Arme sinken, aber wenige Augenblicke später kam mir Eleanor zu Hilfe.
    »Und jetzt kommt Daddy dran.«
    Maddie kam zu mir, und ich schloss sie in die Arme und hob sie hoch. Sie wog weniger als zwanzig Kilo. Es ist etwas Erstaunliches, in der Lage zu sein, alles, was einem wichtig ist, in einem Arm zu halten. Sie ließ ihren nassen Kopf gegen meine Brust sinken, und es machte mir nichts, dass sie mein Hemd nass machte. Das störte mich überhaupt nicht.
    »Wie geht’s dir, mein Schatz?«
    »Gut. Ich habe heute ein Bild von dir gemalt.«
    »Tatsächlich? Darf ich es sehen?«
    »Lass mich runter.«
    Das tat ich, und sie rannte aus der Küche. Ihre bloßen Füße klatschten auf die Steinfliesen, als sie ins Spielzimmer lief. Ich sah Eleanor an und lächelte. Wir kannten beide das Geheimnis. Ganz gleich, was wir füreinander übrig hatten oder nicht, würden wir immer Madeline haben, und das war möglicherweise genug.
    Das Laufen kleiner Füße wurde wieder hörbar, und kurz darauf kam sie, ein Blatt Papier wie einen Drachen hinter sich herziehend, in die Küche zurück. Ich nahm es ihr aus der Hand und betrachtete es. Es war ein Mann mit Schnurrbart und dunklen Augen darauf. Er hatte die Hände ausgestreckt, und in einer hielt er eine Pistole. Ihm gegenüber war eine andere Gestalt. Dieser Mann war in Rot- und Orangetönen gezeichnet, und zum Zeichen dafür, dass er der Böse war, bildeten seine Augenbrauen ein finsteres schwarzes V.
    Ich ging in die Knie, um mir die Zeichnung zusammen mit ihr anzusehen.
    »Bin das ich mit der Pistole?«
    »Ja, weil du Polizist warst.«
    Ich nickte.
    »Und wer ist der Böse da?«
    Mit einem winzigen Finger zeigte sie auf die andere Figur.
    »Das ist Mr. Demon.«
    Ich lächelte.
    »Wer ist Mr. Demon?«
    »Er ist ein Boxer. Mami sagt, du schlägst dich mit Dämonen rum, und er ist der Oberdämon.«
    »Aha.«
    Ich sah über ihren Kopf hinweg Eleanor an und lächelte. Ich war auf nichts böse. Ich war einfach begeistert von meiner Tochter und wie sie ihre Welt sah. Die wortwörtliche Art, in der sie alles aufnahm und übernahm. Das würde nicht lange so bleiben, und deshalb hütete ich jeden Moment, den ich davon sah oder hörte, wie einen kostbaren Schatz.
    »Schenkst du mir dieses Bild?«
    »Wieso?«
    »Weil es schön ist und weil ich es gern haben möchte. Ich muss nämlich eine Weile weg und möchte es immer ansehen können. Es wird mich an dich erinnern.«
    »Wohin musst du?«
    »Ich fahre an den Ort zurück, den man ›Stadt der Engel‹ nennt.«
    Sie lächelte.
    »Das ist doch dumm. Engel kann man nicht sehen.«
    »Ich weiß. Aber schau, Mami hat ein neues Buch für dich, über einen Affen, der Billy heißt. Deshalb sage ich dir jetzt Gute Nacht. Aber ich werde, so bald ich kann, wieder herkommen. Ist das okay, mein Schatz?«
    »Okay, Daddy.«
    Ich küsste sie auf beide Wangen und drückte sie fest an mich. Dann küsste ich sie auf den Kopf und ließ sie los. Ich richtete mich mit meinem Bild auf und gab ihr das Buch, das ihr Eleanor vorlesen würde.
    »Marisol?«, rief Eleanor.
    Marisol erschien in wenigen Sekunden, als ob sie im Wohnzimmer nebenan auf ihr Stichwort gewartet hätte. Ich lächelte und nickte ihr zu, als sie ihre Anweisungen erhielt.
    »Bringen Sie doch Maddie schon mal ins Bett. Ich komme dann gleich nach, sobald ich ihrem Vater Gute Nacht gesagt habe.«
    Ich sah zu, wie meine Tochter mit ihrer Kinderfrau ging.
    »Tut mir Leid«, sagte Eleanor.
    »Was, das mit dem Bild? Mach dir deswegen keine Gedanken. Ich finde es toll. Es kommt an meinen Kühlschrank.«
    »Ich weiß nur nicht, woher sie das hat. Jedenfalls habe ich ihr nicht direkt gesagt, dass du gegen Dämonen kämpfst. Das muss sie gehört haben, als ich mal telefoniert habe oder so.«
    Irgendwie hätte ich es besser gefunden, wenn sie es unserer Tochter direkt gesagt hätte. Der Gedanke, dass Eleanor mit jemand anderem so über mich sprach – mit jemandem, den sie im Moment nicht namentlich nannte –, beunruhigte mich. Ich versuchte, es nicht zu zeigen.
    »Alles halb so wild«, sagte ich. »Sieh es doch mal so: Wenn sie in die Schule kommt und die anderen Kinder erzählen, ihr Vater ist Anwalt oder Feuerwehrmann oder Arzt oder was, kann sie sie alle ausstechen. Sie kann sagen, ihr Daddy kämpft gegen Dämonen.«
    Eleanor lachte, hörte aber abrupt auf, als ihr etwas einfiel.
    »Ich wüsste gern,

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