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Die Rückkehr des Poeten

Die Rückkehr des Poeten

Titel: Die Rückkehr des Poeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Zweifels in meinem Bauch. Sie führte etwas im Schilde, wollte mich für irgendetwas einspannen.
    Doch dann versuchte ich, nicht weiter daran zu denken. Ihr Auftrag lautete, mich im Auge zu behalten. Was das anging, war sie ganz offen zu mir gewesen. Vielleicht hatte ich diese letzte Geschichte in den falschen Hals gekriegt.
    Ich drehte eine weitere Runde auf dem Parkplatz und hielt nach einem Crown Vic oder LTD Ausschau, entdeckte aber keinen. Darauf fuhr ich vom Parkplatz rasch auf die Paradise Road zurück. An der Flamingo Road bog ich nach Westen und fuhr auf dem Strip zurück und über den Freeway. Ich bog auf den Parkplatz eines Steakhouse in der Nähe des Palms, des Casinos, das viele Einheimischen bevorzugten, weil es nicht am Strip lag und viele Prominente anzog. Das letzte Mal, als Eleanor und ich vernünftig miteinander geredet hatten, hatte sie mir erzählt, sie spiele mit dem Gedanken, vom Bellagio ins Palms zu wechseln. Das große Geld floss immer noch im Bellagio, aber das meiste davon floss in Bakkarat und Pai Gow und Craps. Poker war eine andere Sache, und es war das einzige Spiel, bei dem man nicht gegen das Haus spielte. In der Szene hatte sich herumgesprochen, dass alle Prominenten und Sportler, die aus L.A. ins Palms kamen, Poker spielten und jede Menge Geld verloren, während sie es lernten.
    In der Steakhouse-Bar bestellte ich ein New York Strip und eine gebackene Kartoffel. Die Bedienung versuchte, mich davon abzubringen, das Steak medium zu nehmen, aber ich blieb stur. Da wo ich aufgewachsen war, hatte ich nie etwas gegessen, das innen rosa war, und ich konnte mich nicht dazu durchringen, es jetzt zu essen. Nachdem sie meine Bestellung an die Küche weitergegeben hatte, musste ich an eine Feldküche denken, in die es mich in Fort Benning mal verschlagen hatte. Dort waren in einem Dutzend riesiger Kessel ganze Rinderhälften durch und durch grau gekocht worden. Ein Typ schöpfte mit einer Schaufel das Fett aus einem der Kessel ab und füllte es in einen Eimer. Diese Küche war das Schlimmste, was ich je gerochen hatte, bis ich ein paar Monate später in Vietnam in die unterirdischen Gänge kam und einmal dahin geriet, wo der Vietcong seine Toten vor den Militärstatistikern versteckte.
    Ich schlug die Akte über den Poeten auf und wollte mich gerade in sie vertiefen, als das Telefon summte. Ich ging dran, ohne auf das Display zu sehen.
    »Hallo?«
    »Harry, hier Rachel. Hätten Sie immer noch Lust auf einen Kaffee? Ich hab’s mir anders überlegt.«
    Ich vermutete, sie war schnell ins Embassy Suites zurückgekehrt, damit sie dort wäre und nicht einer Lüge überführt würde.
    »Ähm, ich habe mir gerade auf der anderen Seite der Stadt was zu essen bestellt.«
    »Oh, schade. Na ja, das soll mir eine Lehre sein. Sind Sie allein?«
    »Ja, ich habe etwas zum Arbeiten dabei.«
    »Das kenne ich. Ich esse fast jeden Abend allein.«
    »Ja, ich auch. Wenn ich esse.«
    »Echt? Was ist mit Ihrer Tochter?«
    Ich fühlte mich nicht mehr wohl, wenn ich mit ihr redete, und traute ihr nicht mehr. Ich wusste nicht, was sie vorhatte. Und mir war nicht danach, meine traurige Geschichte als Ehemann und Vater vor ihr auszubreiten.
    »Äh, hören Sie, Rachel, hier hat mich gerade jemand etwas komisch angesehen. Ich glaube, Handys sind hier nicht erlaubt.«
    »Na, dann wollen wir mal nichts Unerlaubtes tun. Dann also bis morgen um acht.«
    »Okay, Eleanor. Wiedersehen.«
    Ich wollte gerade auf die Trenntaste drücken, als ich ihre Stimme hörte: »Harry?«
    »Ja?«
    »Ich bin nicht Eleanor.«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben mich gerade Eleanor genannt.«
    »Oh. Das ist mir wohl so rausgerutscht. Entschuldigung.«
    »Erinnere ich Sie an sie?«
    »Schon möglich. In gewisser Hinsicht. Aber nicht wie sie jetzt ist. Eher wie früher.«
    »Oh, aber doch hoffentlich nicht zu früh.«
    Damit spielte sie auf den Vorfall an, durch den Eleanor beim FBI in Ungnade gefallen war. Und das in einem Maß, dass nicht einmal mehr eine Strafversetzung nach Minot in Frage gekommen war.
    »Bis morgen, Rachel.«
    »Gute Nacht, Harry.«
    Ich unterbrach die Verbindung und dachte über meinen Versprecher nach. Es war direkt aus dem Unterbewusstsein hochgeschossen, aber jetzt, wo es heraus war, war es nicht zu übersehen. Ich wollte nicht darüber nachdenken. Ich wollte mich in die Akte vor mir vertiefen. Ich wusste, mir wäre wohler, wenn ich das Blut und den Wahnsinn einer anderen Person und Zeit studierte.

27
    U
    m 20.30 Uhr klopfte ich

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