Die Rückkehr des Poeten
schaffen, die ihre Eltern aufeinander hatten.
Eleanor ging rasch aus dem Zimmer, und kurz darauf folgte auch ich ihr. Ich fand sie in der Küche, wo sie mit fest über der Brust verschränkten Armen an einer Arbeitsplatte lehnte.
»Schlecht gelaufen heute Abend?«
»Schieb meine Reaktion nicht auf den Verlauf des Abends.«
Ich hob kapitulierend die Hände.
»Tue ich ja auch nicht. Es war einzig und allein meine Schuld. Ich habe Mist gebaut. Ich wollte nur ein bisschen bei ihr sitzen, und dabei bin ich eingeschlafen.«
»Vielleicht solltest du das nicht mehr machen.«
»Was, sie nachts besuchen kommen?«
»Ich weiß nicht.«
Sie ging zum Kühlschrank und nahm eine Flasche Wasser heraus. Sie schenkte ein Glas voll und hielt dann die Flasche in meiner Richtung hoch. Ich sagte, ich wollte nichts.
»Was ist das überhaupt für eine Akte?«, fragte sie. »Bist du wegen eines Falls hier?«
»Ja. Ein Mord. Es begann in L. A. und verlagerte sich dann hierher. Ich muss heute in die Wüste rausfahren.«
»Wie praktisch für dich. Und unterwegs schaust du noch schnell hier vorbei und erschreckst deine Tochter.«
»Ich bitte dich, Eleanor, das war wirklich dumm, und ich bin ein Idiot, aber zumindest hat sie nichts gesehen.«
»Aber sie hätte was sehen können. Vielleicht hat sie es ja sogar. Vielleicht ist sie aufgewacht und hat diese fürchterlichen Fotos gesehen und ist wieder eingeschlafen. Wahrscheinlich hat sie gerade einen schrecklichen Albtraum.«
»Hör zu, sie hat sich die ganze Nacht nicht bewegt. Da bin ich ganz sicher. Sie hat bestimmt nichts mitgekriegt. Es wird nicht wieder vorkommen. Können wir es also dabei belassen?«
»Klar. Prima.«
»Schau, Eleanor, erzähl doch lieber, wie’s bei dir heute Abend lief.«
»Nein, darüber will ich nicht reden. Ich will nur ins Bett.«
»Dann erzähle ich dir was.«
»Was?«
Ich hatte nicht vorgehabt, diesen Punkt zur Sprache zu bringen, aber irgendwie brach plötzlich so viel auf einmal über mich herein, und mir wurde klar, dass ich es ihr erzählen musste.
»Ich überlege, ob ich wieder einsteigen soll.«
»Wie meinst du das? Bei diesem Fall?«
»Nein, bei der Polizei. Das LAPD hat ein neues Einstellungsprogramm. Alte Hasen wie ich können wieder einsteigen. Sie brauchen unsere Erfahrung. Wenn ich es jetzt tue, brauche ich nicht mal auf die Akademie.«
Sie nahm einen langen Schluck Wasser und antwortete nicht.
»Was hältst du davon, Eleanor?«
Sie zuckte die Achseln, als wäre es ihr egal.
»Tu einfach, was du willst, Harry. Aber dann wirst du deine Tochter nicht mehr so oft sehen. Du wirst dich intensiv mit Fällen beschäftigen und … du weißt ja, wie es ist.«
Ich nickte.
»Schon möglich.«
»Vielleicht macht es ja auch nichts. Sie hat die meiste Zeit ihres Lebens nicht viel von dir zu sehen bekommen.«
»Und wessen Schuld ist das?«
»Lass uns bitte nicht wieder damit anfangen.«
»Hätte ich gewusst, dass es sie gibt, wäre ich hier gewesen. Aber ich wusste es nicht.«
»Ich weiß, ich weiß. Ich bin diejenige, welche. Es ist alles meine Schuld.«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich …«
»Ich weiß, was du sagen willst. Du brauchst es nicht mal zu sagen.«
Eine Weile waren wir beide still und ließen den Ärger verebben. Ich blickte zu Boden.
»Vielleicht könnte sie ja auch ab und zu rüberkommen«, sagte ich.
»Wie meinst du das?«
»Na, worüber wir schon öfter gesprochen haben. Über diese Stadt. Wie es ist, hier aufzuwachsen.«
Sie schüttelte sehr entschieden den Kopf.
»Ich habe meine Meinung nicht geändert, was das betrifft. Wie stellst du dir das vor, dass du sie selbst aufziehst? Du, mit deinen Einsätzen mitten in der Nacht, mit deinen Überstunden, langen Ermittlungen, Waffen im Haus, Tatortfotos auf dem Boden. Ist es das, was du dir für sie vorstellst? Glaubst du, das ist besser als Las Vegas?«
»Nein. Ich dachte, du könntest vielleicht auch mitkommen.«
»Das kannst du vergessen, Harry. Davon will ich nichts mehr hören. Ich bleibe hier und Madeline ebenfalls. Du triffst deine Entscheidungen einzig und allein unter dem Gesichtspunkt, was für dich das Beste ist, aber beziehe dabei bitte nicht mich und Maddie mit ein.«
Bevor ich antworten konnte, kam Marisol mit verschlafenen Augen in die Küche. Sie trug einen weißen Bademantel, auf dessen Brusttasche in Schreibschrift Bellagio stand.
»Sehr laut«, sagte sie.
»Sie haben Recht, Marisol«, sagte Eleanor. »Entschuldigung.«
Marisol ging zum
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