Die Rückkehr des Sherlock Holmes
er Bankrott machte, ging ich als Diener hier ans College, doch habe ich meinen alten Arbeitgeber nie vergessen, nur weil er nichts mehr galt auf der Welt. Um der alten Zeiten willen kümmerte ich mich, so gut ich konnte, um seinen Sohn. Nun, Sir, als ich gestern, nachdem der Alarm gegeben worden war, dieses Zimmer betrat, sah ich als erstes Mr. Gilchrists braune Handschuhe auf diesem Sessel liegen. Ich kannte diese Handschuhe gut, und ich begriff, was sie bedeuteten. Wenn Mr. Soames sie gesehen hätte, wäre alles aus gewesen. Ich ließ mich in diesen Sessel fallen, und nichts konnte mich dort herausbringen, bis Mr. Soames Sie holen ging. Dann kam mein armer junger Herr heraus, den ich früher auf den Knien geschaukelt hatte, und gestand mir alles. War es nicht natürlich, Sir, daß ich ihn retten wollte, und war es nicht auch natürlich, daß ich versuchte, so zu ihm zu sprechen, wie es sein toter Vater getan haben würde, und ihm begreiflich zu machen, daß er von einer solchen Tat nicht profitieren dürfe? Können Sie mich dafür tadeln, Sir?«
»Nein, wahrhaftig nicht!« sagte Holmes herzlich, indem er aufsprang. »Nun, Soames, ich denke, wir haben Ihr kleines Problem aufgeklärt, und zu Hause wartet unser Frühstück auf uns. Kommen Sie, Watson! Und was Sie betrifft, Sir, so bin ich zuversichtlich, daß Sie in Rhodesien eine glänzende Zukunft erwartet. Dies eine Mal sind Sie tief gesunken. Zeigen Sie uns nun, wie hoch Sie sich in der Zukunft erheben können.«
Der goldene Kneifer
Wenn ich die drei umfangreichen Manuskriptbände betrachte, in denen unsere Arbeit des Jahres 1894 enthalten ist, muß ich gestehen, daß es mir sehr schwer fällt, aus einem solchen Reichtum an Material diejenigen Fälle auszuwählen, die nicht nur für sich allein die interessantesten sind, sondern die gleichzeitig auch am ehesten dazu geeignet sind, jene eigentümlichen Fähigkeiten ins Licht zu rücken, die meinen Freund so berühmt gemacht haben. Indem ich darin herumblättere, fällt mein Blick auf die Aufzeichnungen über die widerwärtige Geschichte des roten Blutegels und des schrecklichen Todes von Crosby, dem Bankier. Des weiteren stoße ich auf einen Bericht von der Addleton-Tragödie und dem einzigartigen Inhalt eines alten britischen Hügelgrabes. Die berühmte Affäre der Smith-Mortimer-Nachfolge fällt ebenfalls in diesen Zeitraum, wie auch die Verfolgung und Verhaftung Hurets, des Boulevard-Attentäters – eine Großtat, die Holmes einen handschriftlichen Dankesbrief des französischen Präsidenten und den Orden der Ehrenlegion einbrachte. Jeder dieser Fälle gäbe eine Erzählung ab, doch neige ich im großen und ganzen zu der Ansicht, daß keiner davon derart vieles einzigartig Interessante in sich vereinigt wie die Episode von Yoxley Old Place, welche nicht nur den beklagenswerten Tod des jungen Willoughby Smith, sondern auch jene darauf folgenden Entwicklungen umfaßt, die ein so sonderbares Licht auf die Ursachen dieses Verbrechens geworfen haben.
Es war eine wilde stürmische Nacht gegen Ende November. Holmes und ich saßen den ganzen Abend schweigend beisammen – er mit starker Lupe beim Entziffern der Reste des ursprünglichen Textes auf einem Palimpsest, ich tief in die Lektüre einer kürzlich erschienenen chirurgischen Abhandlung versunken. Draußen heulte der Wind durch die Baker Street, wozu der Regen heftig gegen unsere Fenster schlug. Es war wunderlich, so mitten in der Stadt, im Umkreis von zehn Meilen von Menschenwerk umgeben, den eisernen Griff der Natur zu spüren und sich bewußt zu sein, daß London diesen gewaltigen elementaren Mächten nicht mehr bedeutete als die vielen Maulwurfshügel auf den Äckern. Ich trat ans Fenster und sah auf die verlassene Straße hinaus. Gelegentlich schimmerte eine Laterne auf der weiten Fläche der schlammigen Straße und des glänzenden Pflasters. Eine einsame Kutsche kam platschend von der Oxford Street heran.
»Nun, Watson, wie schön, daß wir heute abend nicht hinausmüssen«, sagte Holmes, indem er seine Lupe beiseite legte und das Palimpsest zusammenrollte. »Ich habe für heute genug getan. Es ist eine anstrengende Arbeit für die Augen. Soweit ich erkennen kann, handelt es sich um nichts Aufregenderes als das Wirtschaftsbuch eines Klosters aus der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Hallo! Hallo! Hallo! Was ist das?«
Das Dröhnen des Winds war vom Stampfen eines Pferdehufs und dem langgezogenen Knirschen eines Rades übertönt worden, das
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