Die Rückkehr des Sherlock Holmes
herauszusuchen, die sich auf die Arbeit des folgenden Tages bezogen. Niemand hatte je etwas an diesem Willoughby Smith auszusetzen – weder in seiner Kindheit in Uppingham noch in seiner Jugend in Cambridge. Ich habe seine Zeugnisse gesehen: Er war von Anfang an ein anständiger, ruhiger, fleißiger Bursche ohne irgendeine schwache Stelle. Und doch ereilte ihn heute morgen im Arbeitszimmer des Professors unter Umständen, die eindeutig auf Mord weisen, der Tod.«
Der Wind heulte und brüllte an den Fenstern. Holmes und ich rückten näher ans Feuer, während der junge Inspektor langsam und Punkt für Punkt seine eigenartige Erzählung vor uns entwickelte.
»Auch wenn Sie ganz England danach absuchten«, sagte er, »dürften Sie keinen Haushalt finden, der selbstgenügsamer oder von äußeren Einflüssen freier wäre. Manchmal vergingen ganze Wochen, in denen niemand über das Gartentor hinausging. Der Professor war in seine Arbeit vergraben und existierte für nichts anderes. Der junge Smith kannte niemanden in der Nachbarschaft und lebte ziemlich so wie sein Arbeitgeber. Die beiden Frauen hatten keinen Anlaß, aus dem Haus zu gehen. Mortimer, der Gärtner, der den Rollstuhl schiebt, ist Soldat im Ruhestand – ein alter Krimkämpfer von hervorragendem Charakter. Er wohnt nicht in dem Haus, sondern in einem Dreizimmer-Cottage am hinteren Ende des Grundstücks. Und dies sind die einzigen Leute, die man auf Yoxley Old Place antreffen konnte. Dazu kommt, daß das Gartentor hundert Yards von der Straße London – Chatham entfernt liegt. Es läßt sich mit einer Klinke öffnen, und nichts hindert irgendwen, dort hineinzugehen.
Ich referiere Ihnen nun die Aussage Susan Tarltons, der einzigen Person, die etwas Bestimmtes über die Sache sagen kann. Es war vormittags, zwischen elf und zwölf Uhr. Sie war gerade damit beschäftigt, im vorderen Schlafzimmer des ersten Stocks Vorhänge aufzuhängen. Professor Coram lag noch im Bett, denn bei schlechtem Wetter steht er selten vor Mittag auf. Die Haushälterin war mit irgendeiner Arbeit im hinteren Teil des Hauses beschäftigt. Willoughby Smith war in seinem Schlafzimmer gewesen, das er auch als Wohnzimmer benutzte; aber in diesem Moment hörte das Mädchen ihn durch den Flur und die Treppe zum Arbeitszimmer hinuntergehen, das unmittelbar unter ihr lag. Gesehen hat sie ihn nicht, aber sie sagt, sie könne sich in seinem schnellen sicheren Schritt nicht getäuscht haben. Sie hörte die Tür des Arbeitszimmers nicht zugehen, aber etwa eine Minute später ertönte in dem Raum unter ihr ein furchtbarer Schrei. Ein wilder heiserer Schrei, so seltsam und unnatürlich, daß er von einem Mann oder einer Frau gleichermaßen hätte stammen können. Im selben Augenblick wurde das ganze Haus von einem schweren dumpfen Schlag erschüttert; danach war alles still. Das Mädchen stand einen Moment lang wie versteinert da, dann lief es mit neuem Mut nach unten. Die Tür des Arbeitszimmers war zu, und sie machte sie auf. Drinnen lag der junge Willoughby Smith ausgestreckt auf dem Boden. Zunächst konnte sie keine Verletzung sehen, doch als sie ihn aufzurichten versuchte, sah sie, wie ihm das Blut unten aus dem Hals strömte. Es war eine sehr kleine, aber sehr tiefe Stichwunde, die die Halsschlagader durch trennt hatte. Das Werkzeug, mit dem ihm die Wunde beigebracht worden war, lag neben ihm auf dem Teppich. Es war so ein kleines Siegellackmesser, wie man es auf altmodischen Schreibtischen findet, mit einem Elfenbeingriff und einer starren Klinge. Es gehörte zur Ausstattung des Schreibtischs des Professors.
Zuerst glaubte das Mädchen, der junge Smith sei bereits tot, doch als sie ihm aus einer Karaffe etwas Wasser über die Stirn goß, schlug er für einen Moment die Augen auf. ›Der Professor‹, murmelte er, ›es war sie.‹ Das Mädchen ist bereit, zu beschwören, daß er genau dies gesagt hat. Er versuchte verzweifelt, noch etwas anderes zu sagen, und hielt seine rechte Hand in die Luft ausgestreckt. Dann fiel er tot zurück.
Unterdessen war auch die Haushälterin am Schauplatz eingetroffen, doch kam sie gerade zu spät, um die letzten Worte des sterbenden jungen Mannes zu hören. Sie ließ Susan bei der Leiche und eilte aufs Zimmer des Professors. Er saß furchtbar aufgeregt in seinem Bett, denn er hatte genug gehört, um davon überzeugt zu sein, daß etwas Entsetzliches geschehen war. Mrs. Marker kann beschwören, daß der Professor noch sein Nachthemd anhatte, und in der Tat war
Weitere Kostenlose Bücher