Die Rückkehr des Sherlock Holmes
Tod ihres Mannes auf den Stuhl gefesselt. Ich wette, daß man auf ihrem schwarzen Kleid einen entsprechenden Fleck findet. Dies war noch nicht unser Waterloo, Watson, sondern dies ist unser Marengo, denn es hat mit einer Niederlage begonnen und endet mit einem Sieg. Ich würde jetzt gern ein paar Worte mit diesem Kindermädchen Theresa sprechen. Wir müssen eine Weile auf der Hut sein, wenn wir die Informationen bekommen wollen, die wir brauchen.«
Sie war eine interessante Person, dieses australische Kindermädchen. Wortkarg, argwöhnisch, unfreundlich – – es dauerte einige Zeit, ehe Holmes sie durch sein freundliches Wesen und seine Aufgeschlossenheit gegenüber allem, was sie sagte, soweit aufgetaut hatte, daß sie ihm mit entsprechender Liebenswürdigkeit entgegenkam. Sie machte keinen Hehl aus ihrem Haß auf ihren verstorbenen Arbeitgeber.
»Ja, Sir, es stimmt, daß er eine Karaffe nach mir geworfen hat. Ich hörte, wie er meine Herrin beschimpfte, und da sagte ich zu ihm, er würde es nicht wagen, so mit ihr zu reden, wenn ihr Bruder da wäre. Und da hat er damit nach mir geworfen. Er hätte glatt ein Dutzend geworfen, wenn er soviel gehabt hätte, aber danach ließ er mein liebes Vögelchen in Ruhe. Ständig hat er sie mißhandelt, und sie war zu stolz, um sich zu beklagen. Nicht einmal mir erzählt sie alles, was er ihr angetan hat. Von diesen Schrammen auf ihrem Arm, die Sie heute morgen gesehen haben, hat sie mir nie etwas gesagt, aber ich weiß ganz genau, daß sie von einem Stich mit einer Hutnadel stammen. Dieser Satansbraten – der Himmel verzeihe mir, daß ich so von ihm spreche, wo er jetzt tot ist, aber er
war
ein Satan, wenn’s je einen gegeben hat. Als wir ihn kennenlernten, war er die Liebenswürdigkeit in Person – das ist erst achtzehn Monate her, und uns beiden kommt es vor wie achtzehn Jahre. Sie war gerade erst in London angekommen. Ja, es war ihre erste Reise – sie hatte ihre Heimat vorher noch nie verlassen. Er hat sie mit seinem Titel und seinem Geld und seinen verlogenen Londoner Manieren für sich gewonnen. Wenn sie damit einen Fehler begangen hat, dann hat sie dafür bezahlt, wie nur eine Frau dafür bezahlen kann. In welchem Monat wir ihn kennengelernt haben? Nun, ich sage ja, kurz nachdem wir angekommen sind. Wir sind im Juni angekommen, und das war im Juli. Voriges Jahr im Januar haben sie geheiratet. Ja, sie ist wieder unten im
morning-room,
und ich bezweifle nicht, daß sie Sie empfangen wird, aber verlangen Sie nicht zuviel von ihr, denn sie hat alles durchgemacht, was ein Mensch nur ertragen kann.«
Lady Brackenstall ruhte auf derselben Couch, sah aber heiterer aus als vorhin. Das Mädchen war mit uns eingetreten und fing wieder an, die Beule auf der Stirn ihrer Herrin zu baden.
»Ich hoffe«, sagte die Lady, »Sie sind nicht gekommen, um mich noch einmal ins Kreuzverhör zu nehmen?«
»Nein«, erwiderte Holmes mit seiner sanftesten Stimme, »ich möchte Sie nicht unnötig beunruhigen, Lady Brackenstall, und ich bin einzig bestrebt, Ihnen die Sache leicht zu machen, da ich überzeugt davon bin, daß Sie eine arg geplagte Frau sind. Wenn Sie mich als Freund betrachten und mir vertrauen, werden Sie sehen, daß ich Ihr Vertrauen rechtfertigen werde.«
»Was verlangen Sie von mir?«
»Daß Sie mir die Wahrheit sagen.«
»Mr. Holmes!«
»Nein, nein, Lady Brackenstall, es hat keinen Zweck. Sie haben vielleicht von meinem bescheidenen Ruf gehört. Und ich verwette ihn darauf, daß Ihre Geschichte ganz und gar erdichtet ist.«
Herrin und Mädchen gleichermaßen starrten Holmes mit bleichen Gesichtern und entsetzten Augen an.
»Sie unverschämter Kerl!« rief Theresa. »Wollen Sie etwa behaupten, daß meine Herrin gelogen hat?«
Holmes erhob sich von seinem Stuhl.
»Haben Sie mir nichts zu sagen?«
»Ich habe Ihnen alles gesagt.«
»Überlegen Sie noch einmal, Lady Brackenstall. Wäre es nicht besser, offen zu sein?«
Ein kurzes Zögern ging über ihr schönes Gesicht. Dann gefror es mit neuer Entschlossenheit wieder zur Maske.
»Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß.«
Holmes nahm seinen Hut und zuckte die Schultern. »Tut mir leid«, sagte er, und ohne ein weiteres Wort verließen wir das Zimmer und das Haus. In dem Park war ein Teich, und dorthin lenkte mein Freund seine Schritte. Er war zugefroren, und nur ein einziges Loch stand einem einsamen Schwan zur Verfügung. Holmes starrte es an, dann ging er weiter zum Parkausgang. Dort schrieb er eine kurze
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