Die Rückkehr des Sherlock Holmes
lassen mich wissen, wenn Ihre Ermittlungen zu irgendeinem Ergebnis führen.«
Holmes hatte sich zu Mr. Hardings Aussagen mehrere Notizen gemacht, und ich merkte, daß er von der Wendung, die die Sache nahm, ganz und gar befriedigt war. Er machte jedoch keine Bemerkung bis auf die, daß wir, falls wir uns nicht beeilten, zu spät zu unserer Verabredung mit Lestrade kämen. Und als wir in der Baker Street eintrafen, war der Polizist schon da, und wir trafen ihn in fiebriger Ungeduld auf und ab schreitend an. Sein gewichtiger Blick zeigte, daß sein Tagewerk nicht fruchtlos geblieben war.
»Nun?« fragte er. »Glück gehabt, Mr. Holmes?«
»Wir hatten einen sehr anstrengenden Tag, der nicht einmal vollständig vergebens war«, erklärte mein Freund. »Wir haben die beiden Einzelhändler und auch den Hersteller und Großhändler aufgesucht. Ich bin jetzt imstande, jede der Büsten von Anfang an zu verfolgen.«
»Die Büsten!« rief Lestrade. »Nun, nun, Sie haben Ihre eigenen Methoden, Mr. Holmes, und ich bin der letzte, der Ihnen hereinreden würde, aber ich denke, ich habe heute bessere Arbeit geleistet als Sie. Ich habe den Toten identifiziert.«
»Was Sie nicht sagen!«
»Und ein Motiv für das Verbrechen gefunden.«
»Ausgezeichnet!«
»Einer unserer Inspektoren ist Fachmann für Saffron Hill und das Italienerviertel. Nun, dieser Tote hatte einen katholischen Anhänger um den Hals, und dieser brachte mich zusammen mit seiner Hautfarbe auf die Idee, daß er aus dem Süden stammte. Inspektor Hill erkannte ihn gleich beim ersten Hinsehen. Sein Name ist Pietro Venucci, er kommt aus Neapel, und er ist einer der größten Halsabschneider Londons. Er hat Verbindungen zur Mafia, einer, wie Sie wissen, geheimen politischen Gesellschaft, die ihre Erlasse durch Mordanschläge durchsetzt. Nun sehen Sie, wie die Sache sich aufzuklären beginnt. Der andere Bursche ist vermutlich ebenfalls Italiener und Mitglied der Mafia. Irgendwie hat er gegen deren Regeln verstoßen. Pietro wird auf ihn angesetzt. Die Photographie, die wir in seiner Tasche gefunden haben, stellt wahrscheinlich diesen Mann dar, damit er auch den Richtigen erdolchen kann. Er spürt den Kerl auf, sieht ihn in das Haus gehen, er wartet draußen auf ihn und zieht sich im Handgemenge selber die tödliche Wunde zu. Na, was halten Sie davon, Mr. Sherlock Holmes?«
Holmes klatschte Beifall.
»Hervorragend, Lestrade, hervorragend!« rief er. »Aber Ihrer Erklärung der Zerstörung der Büsten konnte ich nicht ganz folgen.«
»Der Büsten? Bekommen Sie denn diese Büsten nicht aus dem Kopf? Das ist doch ganz unwichtig: kleiner Diebstahl, höchstens sechs Monate. Es ist aber doch der Mord, den wir tatsächlich untersuchen, und ich sage Ihnen, sämtliche Fäden laufen in meinen Händen zusammen.«
»Und Ihre nächsten Schritte?«
»Ganz einfach: Ich werde mit Hill ins Italienerviertel gehen, den Mann auf der Photographie suchen und ihn wegen Mordes verhaften. Wollen Sie uns begleiten?«
»Wohl nicht. Ich bilde mir ein, wir können unser Ziel auf einfacherem Wege erreichen. Genau kann ich’s nicht sagen, weil alles abhängt von – nun, es hängt alles von einem Faktor ab, der völlig außerhalb unseres Einflusses liegt. Aber ich bin sehr zuversichtlich – tatsächlich steht die Wette genau zwei zu eins –, daß ich Ihnen, wenn Sie uns heute nacht begleiten, dabei helfen kann, ihn hinter Gitter zu bringen.«
»Im Italienerviertel?«
»Nein; ich denke, Chiswick ist eine wahrscheinlichere Adresse, unter der wir ihn finden können. Wenn Sie heute nacht mit mir nach Chiswick gehen, Lestrade, verspreche ich Ihnen, Sie morgen ins Italienerviertel zu begleiten; diese Verzögerung wird keinen Schaden anrichten. Und nun glaube ich, ein paar Stunden Schlaf könnten uns allen gut tun, denn ich beabsichtige nicht, vor elf Uhr aufzubrechen, und es ist unwahrscheinlich, daß wir vor dem Morgengrauen zurück sein werden. Essen Sie mit uns zu Abend, Lestrade, und dann sind Sie auf unserem Sofa willkommen, bis es Zeit für uns ist, loszugehen. Inzwischen wäre ich froh, Watson, wenn Sie nach einem Eilboten klingeln würden, denn ich habe einen Brief abzuschicken, der unbedingt sofort abgehen muß.«
Holmes verbrachte den Abend damit, in den Stapeln alter Tageszeitungen herumzuwühlen, mit denen eine unserer Rumpelkammern vollgestopft war. Als er schließlich herunterkam, leuchtete Triumph aus seinen Augen, doch klärte er uns beide nicht über das Ergebnis seiner
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