Die Rückkehr des Sherlock Holmes
er schließlich. »Wir müssen nachmittags noch einmal hierher, auch wenn Mr. Harding dann immer noch nicht da sein sollte. Wie Sie zweifellos bereits vermutet haben, versuche ich, die Quelle dieser Büsten aufzuspüren, um festzustellen, ob dort nicht irgendeine Besonderheit vorliegt, die über ihr merkwürdiges Schicksal Aufschluß geben könnte. Nun wollen wir Mr. Morse Hudson in der Kennington Road aufsuchen und sehen, ob er Licht in dieses Problem bringen kann.«
Nach einer Stunde Fahrt standen wir im Haus des Bilderhändlers. Er war ein kleiner, kräftiger Mann mit rotem Gesicht und hitzigem Gebaren.
»Ja, Sir. Mitten auf meinem Ladentisch, Sir«, sagte er. »Ich weiß nicht, wozu wir Steuern und Abgaben bezahlen, wenn jeder Rüpel hier hereinkommen und unsere Waren zerschlagen kann. Ja, Sir, ich war es, der Dr. Barnicot die beiden Statuen verkauft hat. Eine Schande, Sir! Ein Anschlag von Nihilisten, so nenn ich das. Nur ein Anarchist läuft herum und schlägt Statuen entzwei. Rote Republikaner, so nenn ich die. Von wem ich die Statuen habe? Ich wüßte nicht, was das damit zu tun haben sollte. Nun, wenn Sie es wirklich wissen wollen, ich hab sie von Gelder & Co in der Church Street in Stepney. Das ist ein bekanntes Haus in dem Gewerbe, schon seit zwanzig Jahren. Wieviele ich davon hatte? Drei – zwei und eins macht drei – die zwei von Dr. Barnicot, und die eine, die man mir am hellichten Tage auf meinem Ladentisch zertrümmert hat. Ob ich diese Photographie kenne? Nein, kenne ich nicht. Doch, freilich kenne ich den. Tja, Sir, das ist Beppo! Das war so eine Art italienischer Akkordarbeiter, der sich bei mir im Laden nützlich gemacht hat. Er konnte ein bißchen schnitzen, Rahmen vergolden und allerhand Arbeiten verrichten. Der Kerl hat mich vorige Woche verlassen, und seitdem hab ich nichts mehr von ihm gehört. Nein, ich weiß nicht, wo er herkam oder wo er hingegangen ist. Ich hatte nichts gegen ihn einzuwenden, solange er hier war. Zwei Tage, bevor die Büste zertrümmert wurde, ist er gegangen.«
»Nun, mehr konnten wir vernünftigerweise nicht von Morse Hudson erwarten«, sagte Holmes, als wir aus dem Laden gingen. »Wir haben diesen Beppo sowohl in Kennington als auch in Kensington als gemeinsamen Nenner, und das rechtfertigt eine Fahrt von zehn Meilen schon. Und jetzt, Watson, fahren wir zu Gelder & Co in Stepney, der Quelle, dem Ursprungsort der Büsten. Es sollte mich überraschen, wenn uns da unten nicht geholfen werden könnte.«
In rascher Folge durchfuhren wir den Randbezirk des vornehmen London, das London der Hotels, das London der Theater, das literarische London, das kommerzielle London und schließlich das seefahrende London, bis wir in der am Fluß gelegenen Stadt von hunderttausend Seelen ankamen, in der die Mietshäuser vor der Menge der Heimatlosen Europas schwitzen und dampfen. Hier, in einer breiten Verkehrsstraße, dem einstmaligen Sitz reicher Handelshäuser, fanden wir die Bildhauerwerkstatt, nach der wir suchten. Draußen befand sich ein beträchtlicher Hof voller monumentaler Steinmetzarbeiten. In dem großen Raum drinnen waren fünfzig Arbeiter mit Hauen oder Gießen beschäftigt. Der Geschäftsführer, ein großer blonder Deutscher, empfing uns höflich und gab auf alle Fragen Holmes’ eine klare Antwort. Eine Überprüfung seiner Bücher ergab, daß von dem marmornen Napoleonkopf Devines Hunderte von Abgüssen gefertigt worden waren, daß aber die drei, die man vor etwa einem Jahr an Morse Hudson geliefert hatte, zu einer Serie von sechs Stücken gehörten, wovon die anderen drei an Harding Brothers in Kensington geliefert worden waren. Es bestünde kein Grund zu der Annahme, daß diese sechs sich von den anderen Abgüssen unterscheiden sollten. Er könne keinen möglichen Grund dafür angeben, warum irgend jemand sie zu zerstören trachten sollte – ja, er lachte über diese Vorstellung. Der Großhandelspreis dafür betrage sechs Shillings, aber der Einzelhändler verlange zwölf oder mehr. Der Abguß werde in zwei Gußformen – von jeder Gesichtshälfte eine – angefertigt, und diese beiden Gipsprofile würden dann zu der fertigen Büste zusammengefügt. Diese Arbeit werde gewöhnlich von Italienern vorgenommen, und zwar in dem Raum, in dem wir uns gerade befänden. Die fertigen Büsten würden auf einen Tisch im Durchgang zum Trocknen gestellt und später ins Lager gebracht. Mehr könne er uns nicht sagen.
Die Vorlage der Photographie allerdings übte auf den
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