Die Rückkehr des Sherlock Holmes
Geschäftsführer eine merkwürdige Wirkung aus. Sein Gesicht wurde rot vor Wut, und seine Augenbrauen zogen sich über seinen blauen teutonischen Augen zusammen.
»Ah, dieser Schurke!« rief er. »Ja, den kenne ich natürlich sehr gut. Dies war immer ein ehrbares Haus, und das einzige Mal, das je die Polizei hier war, war wegen dieses Burschen da. Das ist jetzt über ein Jahr her. Er hatte einen anderen Italiener auf der Straße niedergestochen, und als er danach zur Arbeit kam, war ihm schon die Polizei auf den Fersen, und er wurde hier verhaftet. Er hieß Beppo – seinen Nachnamen habe ich nie erfahren. Geschieht mir recht, einen Mann mit so einem Gesicht einzustellen. Aber er war ein guter Arbeiter – einer der besten.«
»Wie lautete sein Urteil?«
»Das Opfer überlebte, und er kam mit einem Jahr davon. Er ist inzwischen zweifellos draußen; aber er hat es nicht gewagt, sich hier blicken zu lassen. Ein Vetter von ihm arbeitet hier, und der dürfte Ihnen wohl sagen können, wo er sich aufhält.«
»Neinnein!« rief Holmes. »Kein Wort zu diesem Vetter – kein Wort, ich bitte Sie. Die Sache ist sehr wichtig, und je weiter ich darin vordringe, desto wichtiger scheint sie zu werden. Als Sie in Ihrem Hauptbuch den Verkauf dieser Büsten überprüften, habe ich bemerkt, daß das Datum der 3. Juni des vorigen Jahres war. Könnten Sie mir den Tag nennen, an dem Beppo verhaftet wurde?«
»Anhand der Lohnliste könnte ich es Ihnen ungefähr angeben«, antwortete der Geschäftsführer. »Ja«, fuhr er nach einigem Herumblättern fort, »am 20. Mai hat er seinen letzten Lohn erhalten.«
»Ich danke Ihnen«, sagte Holmes. »Ich denke, ich brauche Ihre Zeit und Ihre Geduld nicht weiter in Anspruch zu nehmen.« Mit einem letzten warnenden Hinweis, daß er von unseren Ermittlungen nichts sagen sollte, wandten wir uns wieder nach Westen.
Der Nachmittag war schon weit fortgeschritten, ehe wir in einem Restaurant einen hastigen Imbiß zu uns nehmen konnten. Ein Zeitungsaushang am Eingang verkündete: »Greueltat in Kensington. Mörder geisteskrank«, und der Inhalt der Zeitung ergab, daß Mr. Horace Harker schließlich doch noch seinen Bericht zum Druck befördert hatte. Über zwei Spalten ergoß sich seine höchst sensationelle und blumige Darstellung des ganzen Vorfalls. Holmes lehnte die Zeitung an die Menage und las sie beim Essen. Ein-oder zweimal kicherte er laut.
»Sehr schön, Watson«, sagte er. »Hören Sie sich das an: ›Befriedigt nimmt man zur Kenntnis, daß über diesen Fall keinerlei Meinungsverschiedenheit besteht, denn Mr. Lestrade, eines der erfahrendsten Mitglieder unserer Polizei, und Mr. Sherlock Holmes, der bekannte Detektiv, sind beide zu dem Schluß gekommen, daß diese groteske Serie von Ereignissen, die auf so tragische Art geendet haben, eher einem Wahnsinnigen als einem bedacht handelnden Verbrecher zuzuschreiben ist. Nur die Annahme einer geistigen Verwirrung kann die Tatsachen vollständig erklären.‹ Die Presse, Watson, ist eine höchst wertvolle Einrichtung, wenn man nur mit ihr umzugehen weiß. Und nun wollen wir, wenn Sie zu Ende gegessen haben, nach Kensington zurückgehen und uns anhören, was der Geschäftsführer von Harding Brothers zu der Sache zu sagen hat.«
Der Gründer dieses großen Handelshauses erwies sich als eine frische und flotte, sehr flinke und quicke kleine Person mit klarem Kopf und schlagfertiger Zunge.
»Ja, Sir, ich habe den Bericht schon in den Abendzeitungen gelesen. Mr. Horace Harker ist ein Kunde von uns. Wir haben ihm die Büste vor ein paar Monaten geliefert. Wir haben drei Büsten dieser Art bei Gelder & Co in Stepney bestellt. Sie sind jetzt alle verkauft. An wen? Oh, ich möchte meinen, das kann ich Ihnen ganz leicht sagen, wenn ich in unserem Verkaufsbuch nachschlage. Ja, da haben wir die Einträge. Sehen Sie, eine an Mr. Harker, eine an Mr. Josiah Brown, Laburnum Lodge, Laburnum Vale, Chiswick, und eine an Mr. Sandeford, Lower Grove Road, Reading. Nein, das Gesicht auf dieser Photographie habe ich noch nie gesehen. Sowas dürfte man kaum vergessen – nicht wahr, Sir? –, ein häßlicheres habe ich selten gesehen. Ob wir Italiener beschäftigen? Ja, Sir, unter unseren Arbeitern und Putzleuten sind mehrere. Durchaus möglich, daß sie einen Blick in dieses Verkaufsbuch werfen können, wenn sie es darauf anlegen. Es gibt keinen besonderen Grund, dieses Buch unter Verschluß zu halten. Nun ja, eine sehr seltsame Angelegenheit, und ich hoffe, Sie
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