Die Rückkehr des Sherlock Holmes
mich sehr erstaunt, denn ich konnte mir gar nicht vorstellen, woher Sie wußten, daß ich so etwas besitze.«
»Natürlich muß Sie das erstaunt haben, aber die Erklärung ist ganz einfach. Mr. Harding von Harding Brothers hat mir gesagt, er habe Ihnen das letzte Exemplar verkauft, und mir Ihre Adresse gegeben.«
»Oh, so war das also, ja? Hat er Ihnen auch gesagt, was ich dafür bezahlt habe?«
»Nein, das hat er nicht.«
»Nun, ich bin ein ehrlicher Mensch, wenn auch nicht gerade reich. Ich habe bloß fünfzehn Shillings für die Büste bezahlt, und ich denke, das sollten Sie wissen, bevor ich zehn Pfund von Ihnen annehme.«
»Ihre Bedenken machen Ihnen alle Ehre, Mr. Sandeford. Aber ich habe diesen Preis nun einmal genannt, und deshalb werde ich auch dabei bleiben.«
»Nun, das ist sehr großzügig, Mr. Holmes. Ich habe die Büste gleich mitgebracht, wie Sie gewünscht haben. Hier ist sie!«
Er öffnete seinen Mantelsack, und nun sahen wir vor uns auf dem Tisch endlich einmal ein unversehrtes Exemplar dieser Büste, die wir schon so oft in Scherben gesehen hatten.
Holmes nahm ein Stück Papier aus seiner Tasche und legte eine Zehn-Pfund-Note auf den Tisch.
»Mr. Sandeford, wollen Sie dies freundlicherweise in Anwesenheit dieser Zeugen unterschreiben. Sie bestätigen damit lediglich, daß Sie jedes mögliche Recht, das Sie je an dieser Büste hatten, auf mich übertragen. Sehen Sie, ich bin ein systematischer Mensch, und man kann nie wissen, welche Wendung die Dinge später einmal nehmen können. Ich danke Ihnen, Mr. Sandeford; hier haben Sie Ihr Geld, und ich wünsche Ihnen einen recht schönen Abend.«
Nachdem unser Besucher gegangen war, verfolgten wir gespannt Sherlock Holmes’ weitere Schritte. Er begann damit, daß er ein sauberes weißes Tuch aus einer Schublade holte und auf dem Tisch ausbreitete. Darauf stelle er seine soeben erworbene Büste mitten auf das Tuch. Schließlich nahm er seine Jagdpeitsche und gab Napoleon damit einen harten Schlag auf den Kopf. Die Figur zerbrach in Scherben, und Holmes beugte sich gierig über die zertrümmerten Überreste. Im nächsten Augenblick stieß er einen lauten Triumphschrei aus und hielt einen Splitter in die Höhe, in dem wie eine Rosine im Kuchen ein rundes, schwarzes Ding steckte.
»Gentlemen«, rief er, »hiermit stelle ich Ihnen die berühmte schwarze Perle der Borgias vor!«
Lestrade und ich saßen einen Moment schweigend da, und dann begannen wir beide spontan zu klatschen, wie beim kunstvollen Höhepunkt eines Schauspiels. Holmes’ bleiche Wangen erglühten rot, und er verbeugte sich vor uns wie ein großer Dramatiker, der die Hommage seines Publikums empfängt. In solchen Augenblicken hörte er für kurze Zeit auf, eine Denkmaschine zu sein, und verriet seine menschliche Freude an Bewunderung und Applaus. Dasselbe so außerordentlich stolze und reservierte Wesen, das sich von öffentlicher Berühmtheit voller Verachtung abwandte, ließ sich von dem spontanen Staunen und Lob eines Freundes aufs tiefste erschüttern.
»Ja, Gentlemen«, sagte er, »es handelt sich um die derzeit berühmteste Perle der Welt, und ich hatte das Glück, sie durch eine zusammenhängende Kette induktiver Schlußfolgerungen vom Schlafzimmer des Prinzen von Calonna im Dacre Hotel, wo sie verschwunden war, bis ins Innere dieser letzten der sechs Napoleonbüsten, die bei Gelder & Co in Stepney hergestellt wurden, verfolgen zu können. Sie werden sich an die Sensation erinnern, Lestrade, die das Verschwinden dieses wertvollen Juwels bewirkt hat, und an die vergeblichen Bemühungen der Londoner Polizei, es wiederzufinden. Ich selbst bin bei diesem Fall um Rat gefragt worden; doch ich vermochte kein Licht darein zu bringen. Der Verdacht fiel auf das Zimmermädchen der Prinzessin, eine Italienerin, und es wurde festgestellt, daß ein Bruder von ihr in London lebte, doch wir konnten keinerlei Verbindung zwischen den beiden nachweisen. Das Mädchen hieß Lucretia Venucci, und für mich besteht kein Zweifel daran, daß jener vor zwei Nächten ermordete Pietro ihr Bruder war. Ich habe in den alten Zeitungen die Daten nachgeschlagen und dabei festgestellt, daß die Perle genau zwei Tage vor Beppos Verhaftung wegen irgendeiner Gewalttat verschwunden war-und diese Verhaftung fand in der Fabrik von Gelder & Co statt, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als diese Büsten angefertigt wurden. Nun sehen Sie den Ablauf der Ereignisse deutlich vor sich, wenn natürlich auch in umgekehrter
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