Die Rückkehr des Tanzlehrers
Auslandsgespräch von seinem Haus in den Bergen bekommen würde.
Maria nahm ab. Wie gewöhnlich klang sie ungeduldig, als habe er sie bei etwas Wichtigem gestört. Ihre Tage wurden durch routinemäßige Arbeiten wie Putzen und Kochen strukturiert. Wenn sie freie Zeit hatte, wurde sie rastlos, und dann legte sie eine komplizierte Patience. Er hatte vergeblich versucht zu verstehen, worauf sie hinauslief. Er hatte auch das Gefühl, daß sie schummelte. Nicht, damit die Patience aufging, sondern damit sie so lange wie möglich dauerte.
»Ich bin es«, sagte er. »Kannst du mich hören?«
Sie redete laut und schnell, wie immer, wenn sie nervös war.
Ich bin zu lange weg gewesen, dachte er. Sie fängt an zu glauben, daß ich sie verlassen habe. Daß ich nie wiederkommen werde.
»Wo bist du?« fragte sie.
»Immer noch in Europa.«
»Wo?«
Er dachte an die Karte, die er studiert hatte, als er im Wagen gesessen und versucht hatte, einen Entschluß zu fassen. »Norwegen.«
»Was tust du da?«
»Ich sehe mir Möbel an. Ich komme bald nach Hause.«
»Don Batista hat nach dir gefragt. Er ist empört. Er sagt, daß du ihm versprochen hättest, ein altes Sofa zu restaurieren, das er seiner Tochter im Dezember zur Hochzeit schenken will.«
»Sag ihm, daß es rechtzeitig fertig wird. Ist sonst noch etwas passiert?«
»Was sollte passiert sein? Eine Revolution?«
»Ich weiß es nicht. Ich frage nur.«
»Juan ist tot.«
»Wer?«
»Juan, der alte Hausmeister.«
Sie sprach jetzt langsamer, aber immer noch zu laut. Als glaube sie, es sei nötig, weil Norwegen ein Land in weiter Ferne war. Er ahnte, daß sie es auf einer Karte nicht einmal zeigen könnte. Er dachte auch, daß sie ihm nie so nahe war, wie wenn sie von jemandem sprach, der nicht mehr lebte. Daß Juan, der alte Hausmeister, gestorben war, kam für ihn nicht überraschend. Nach einem Schlaganfall vor ein paar Jahren war er nur noch im Hof herumgeschlurft und hatte die Arbeit betrachtet, die getan werden mußte, die er aber nicht mehr bewältigen konnte.
»Wann wird er beerdigt?«
»Er ist schon beerdigt. Ich habe von dir und mir Blumen aufs Grab gelegt.«
»Danke.«
Es wurde still. Es rauschte und knisterte in der Leitung.
»Maria«, sagte er, »ich komme bald nach Hause. Ich habe Sehnsucht nach dir. Ich bin dir nicht untreu. Diese Reise ist sehr wichtig gewesen. Es ist, als ob ich in einem Traum unterwegs bin. Als ob ich eigentlich immer noch in Buenos Aires wäre. Die Reise war notwendig, weil ich etwas sehen mußte, was ich zuvor nicht gesehen habe. Nicht nur die fremden Möbel in ihren hellen Farben, sondern auch mich selbst. Ich beginne alt zu werden, Maria. Ein Mann in meinem Alter sollte eine Reise nur in eigener Gesellschaft unternehmen. Um zu entdecken, wer er eigentlich ist. Ich werde ein anderer Mensch sein, wenn ich zurückkomme.«
»Wieso denn ein anderer Mensch«, fragte sie besorgt.
Er wußte, daß Maria sich immer Sorgen machte, er könne sich verändern. Er bereute sofort, was er gesagt hatte.
»Zum Besseren«, sagte er. »Ich werde von nun an zu Hause essen. Ich werde dich nur noch sehr selten allein lassen und ins La Cabana gehen.«
Sie glaubte ihm nicht, denn sie wurde wieder still.
»Ich habe einen Mann getötet«, sagte er. »Einen Mann, der vor langer Zeit, als ich noch in Deutschland lebte, ein schreckliches Verbrechen begangen hat.«
Warum sagte er das? Er wußte es nicht. Ein Geständnis über eine Telefonleitung von einer Hütte in den Bergen in der schwedischen Landschaft Härjedalen zu einer engen und feuchten Wohnung im Zentrum von Buenos Aires. Ein Geständnis gegenüber jemandem, der nicht verstehen konnte, was er meinte. Der sich noch weniger vorstellen konnte, daß er einem anderen Menschen Gewalt angetan hatte. Er dachte, daß er es einfach nicht mehr aushielte, wenn er sein Geheimnis nicht mit jemandem teilen konnte. Auch wenn es nur mit Maria war, die nicht einmal verstand, was er sagte.
»Wann kommst du nach Hause?« fragte sie erneut.
»Bald.«
»Die Miete ist wieder erhöht worden.«
»Denk an mich, wenn du betest.«
»Weil die Miete erhöht worden ist?«
»Kümmere dich nicht um die Miete. Denk nur an mich. Jeden Morgen und jeden Abend.«
»Denkst du an mich, wenn du betest?«
»Ich bete nicht, Maria, das weißt du doch. Bei uns zu Hause bist du diejenige, die das übernommen hat. Ich muß jetzt auflegen, aber ich rufe dich wieder an.«
»Wann?«
»Das weiß ich nicht. Bis bald, Maria.«
Er legte
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