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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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erster Linie hat er auf Pferde gesetzt, aber auch Karten gespielt. Er hat verloren, und so ist ihr Geld verschwunden. Sie sah ein, daß sie betrogen worden war. Sie wollte das Geld zurückhaben, aber sie hatte sich keine Empfangsbestätigung geben lassen. Er weigerte sich. Eines Tages ist sie nach Boras gekommen, deswegen weiß ich das alles. Sie stand eines Abends in der Tür. Ich weiß noch, daß es Winter war. Mutter war zu Hause, Vater und ich. Wo mein Bruder gewesen ist, kann ich nicht sagen. Aber sie stand da in der Tür, und obwohl er versuchte, sie daran zu hindern, verschaffte sie sich Zutritt und sagte meiner Mutter alles. Die Frau schrie meinen Vater an, sie würde ihn töten, wenn sie das Geld nicht zurückbekommen würde. Ich hatte genügend Englisch gelernt, um zu verstehen, was sie sagte. Meine Mutter brach zusammen, und mein Vater war vor Wut vollkommen weiß, vielleicht auch aus Angst. Sie versprach, ihn zu töten, auch wenn sie noch solange darauf warten müßte. Ich erinnere mich genau an ihre Worte.«
    Veronica Molin verstummte. Stefan überlegte. »Sie glauben also, daß sie es gewesen ist, die nach all den Jahren zurückgekommen ist und sich an ihm gerächt hat?«
    »So muß es gewesen sein.«
    Stefan schüttelte den Kopf. Die Geschichte war viel zu unwahrscheinlich. Im Tagebuch hatte Herbert Molin die Reise nach Schottland auf eine Weise beschrieben, die überhaupt nicht zu dem paßte, was er jetzt hörte.
    »Sie müssen das natürlich der Polizei erzählen. Man wird es untersuchen, aber es fällt mir schwer, mir vorzustellen, daß es wirklich diese Frau gewesen sein sollte, die ihn getötet hat.« »Warum sollte das unmöglich sein?«
    »Es klingt ganz einfach nicht wahrscheinlich.«
    »Sind nicht die meisten Gewaltverbrechen unwahrscheinlich?«
    Auf dem Flur ging jemand vorbei. Sie warteten, bis es wieder still war.
    »Ich möchte Sie bitten, mir eine Frage zu beantworten«, sagte Stefan. »Warum wollen Sie das hier nicht Giuseppe erzählen?«
    »Selbstverständlich will und werde ich dies den Polizisten erzählen, die den Mord an meinem Vater aufklären. Aber ich wollte Sie um Rat bitten.«
    »Warum ausgerechnet mich?«
    »Weil ich Vertrauen zu Ihnen habe.«
    »Und in welcher Beziehung soll ich Ihnen raten?«
    »Wie man verhindern kann, daß die Wahrheit über meinen Vater herauskommt. Daß er Nazi gewesen ist.«
    »Wenn es nichts mit dem Mord zu tun hat, gibt es keinen Grund für die Polizei oder den Staatsanwalt, es publik zu machen.«
    »Ich fürchte mich vor Journalisten. Sie sind schon einmal hinter mir her gewesen. Ich will das nicht ein zweites Mal erleben. Ich war in eine komplizierte Fusion zweier Banken in Singapur und England verwickelt. Dabei ist etwas schiefgegangen. Die Journalisten haben mich gejagt, weil sie wußten, daß ich eine derjenigen war, die über das Geschehen am besten informiert waren.«
    »Ich glaube nicht, daß Sie sich Sorgen machen müssen. Aber gleichzeitig muß ich sagen, daß ich nicht mit Ihnen übereinstimme.«
    »Worin?«
    »Daß man die Wahrheit über Ihren Vater nicht publik machen soll. Der alte Nationalsozialismus ist tot, aber er wächst und gedeiht in neuen Formen. Wenn man die richtigen Steine umdreht, kommen sie aus ihren Löchern. Die Rassisten, die Übermenschen. Alle, die sich auf dem Müllhaufen der Geschichte inspirieren lassen.«
    »Kann ich verhindern, daß das Tagebuch veröffentlicht wird?« »Vermutlich, aber es kann andere geben, die sich dazu entschließen, in dieser Sache zu graben.«
    »Wer denn?«
    »Vielleicht ich selbst.«
    Sie lehnte sich im Sessel zurück. Ihr Gesicht verschwand im Schatten.
    Stefan bereute seine Worte. »Ich werde nicht darin graben. Ich bin Polizeibeamter und kein Journalist. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
    Sie erhob sich. »Sie haben meinetwegen eine lange Reise unternommen«, sagte sie. »Sie war natürlich unnötig. Ich hätte Sie am Telefon fragen können. Aber ich habe ausnahmsweise etwas von meiner gewohnten Geistesgegenwart verloren. Meine Position ist hochsensibel. Meine Auftraggeber könnten sich von mir abwenden, wenn es Gerüchte um mich geben würde. Immerhin ist es mein Vater, der dort draußen tot im Wald gelegen hat. Ich glaube, daß die Frau, die in seinem Tagebuch >M< genannt wird, dahintersteckt. Wer den anderen Mann getötet hat, weiß ich nicht.«
    Stefan nickte zum Telefon hin. »Ich schlage vor, Sie rufen Giuseppe Larsson an.«
    Er stand auf.
    »Wann fahren Sie?« fragte

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