Die Rückkehr des Tanzlehrers
nicht hinauf ins Gebirge, er hält sich fern, um zurückzukommen.«
»Es gibt eine Möglichkeit, die wir noch nicht bedacht haben«, sagte Stefan, »und zwar die, daß der Mann, den wir Fernando Hereira nennen, etwas weiß, was wir nicht wissen.«
Giuseppe schüttelte zweifelnd den Kopf. »Dann hätte er sich keine Mütze über das Gesicht gezogen und wäre Elsa Berggren nicht mit seinen Fragen zu Leibe gerückt.«
Sie sahen einander an.
»Denken wir das gleiche?« fragte Giuseppe.
»Vielleicht«, antwortete Stefan. »Vielleicht weiß Fernando Hereira, oder meint zu wissen, daß es Elsa Berggren war, die Abraham Andersson getötet hat. Und nun will er sie dazu bringen, es zu gestehen.«
Giuseppe trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. »Es kann doch sein, daß Elsa Berggren nicht die Wahrheit sagt. Sie behauptet, der Mann, der in ihr Haus eingedrungen ist, habe sie gefragt, wer Abraham Andersson getötet hat. Aber woher wissen wir, daß sie nicht lügt. Er kann etwas ganz anderes gesagt haben.«
»Zum Beispiel: Ich weiß, daß Sie Abraham Andersson getötet haben?«
Giuseppe ließ den Motor wieder an. »Wir werden das Fjäll weiter überwachen, und was Elsa Berggren angeht, werden wir nicht klein beigeben.«
Sie fuhren weiter. Die Landschaft verschwand jenseits des Scheinwerferlichts. Als sie am Hotel vorfuhren, klingelte Giuseppes Handy.
»Das war Rundström«, sagte er, als das Gespräch beendet war. »Der Wagen ist tatsächlich am 5. November in Östersund gemietet worden. Von Fernando Hereira. Einem Argentinier.«
Sie stiegen aus.
»Jetzt geht die Jagd los«, sagte Giuseppe. »Fernando Hereira hat sich mit seinem Führerschein ausgewiesen. Der kann natürlich gefälscht sein, aber wir sollten der Einfachheit halber annehmen, daß er tatsächlich echt ist. Die Frage ist, ob wir ihm jetzt nicht näher sind, als wir es oben im Fjäll waren, wo wir ihn gesucht haben.«
Stefan fühlte sich müde.
Giuseppe stellte seine Tasche in die Rezeption. »Ich melde mich«, sagte er, bevor er sich umdrehte. »Bleibst du?«
»Ja. Noch ein, zwei Tage.«
Giuseppe legte eine Hand auf Stefans Schulter. »Ich muß zugeben, es ist lange her, daß ich jemanden hatte, mit dem ich so gut reden konnte wie mit dir. Aber nun sag mal ehrlich: Wenn du an meiner Stelle wärst, was hättest du anders gemacht?«
»Nichts.«
Giuseppe lachte laut. »Du bist zu nett. Ich kann Kritik vertragen. Und du?«
Er wartete nicht auf die Antwort, sondern ging zu seinem Wagen zurück. Stefan dachte über Giuseppes Frage nach, als er den Zimmerschlüssel holte. In der Rezeption saß ein anderes Mädchen. Stefan hatte sie noch nicht gesehen. Er ging auf sein Zimmer und legte sich aufs Bett. Er dachte, daß er Elena anrufen sollte. Aber zuerst mußte er sich eine Weile ausruhen.
Als er erwachte, wußte er, daß er geträumt hatte. Es war ein chaotischer Traum gewesen, von dem nur die Angst zurückgeblieben war. Er schaute auf die Uhr. Viertel nach neun. Wenn er noch etwas zu essen haben wollte, mußte er sich beeilen. Außerdem hatte er eine Verabredung mit Veronica Molin.
Sie wartete im Speisesaal auf ihn. »Ich habe vorsichtig an Ihre Tür geklopft«, sagte sie. »Sie haben nicht geantwortet, und ich nahm an, Sie würden schlafen.«
»Ich hatte eine anstrengende Nacht und einen sehr langen Tag. Haben Sie schon gegessen?«
»Ich muß zu bestimmten Zeiten etwas essen. Besonders, wenn das Essen so ist wie hier.«
Die Bedienung, die an den Tisch kam, war ebenfalls neu. Sie wirkte unsicher. Stefan hatte plötzlich das Gefühl, daß Vero-nica Molin sich über irgend etwas beschwert hatte.
Er bestellte, wie schon so viele Male zuvor, Beefsteak. Vero-nica Molin trank Wasser. Er selbst wollte Wein.
Sie betrachtete ihn mit einem Lächeln. »Ich habe noch nie einen Polizisten kennengelernt. Jedenfalls nicht so nah.«
»Und? Wie kommen Sie sich jetzt vor?«
»Ich glaube, irgendwo tief in uns haben wir alle Angst vor Polizisten.«
Sie zündete sich eine Zigarette an. »Mein Bruder ist auf dem Weg hierher aus der Karibik«, fuhr sie fort. »Er arbeitet auf einem Kreuzfahrtschiff. Aber das habe ich vielleicht schon erzählt? Er ist Steward. Wenn er nicht irgendwo auf See herumkreuzt, wohnt er in Florida. Ich habe ihn einmal besucht, als ich in Miami war, um eine Verhandlung abzuschließen. Es dauerte nicht einmal eine Stunde, da haben wir uns schon gestritten. Ich weiß nicht mehr, worüber.«
»Wann ist die Beerdigung?«
»Am Dienstag um elf.
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