Die Rückkehr des Tanzlehrers
riß die Tür auf. Dann gingen sie hinein. Nach einer guten Minute kam Giuseppe wieder heraus und sagte, das Haus sei leer, aber es sei jemand dort gewesen. Jetzt würden sie auf den Hubschrauber mit den Hunden warten. Die Techniker, die mit Elsa Berggrens Haus beschäftigt waren, hatten ihre Arbeit unterbrochen und waren ebenfalls unterwegs.
Der Hubschrauber kam aus Nordosten. Er landete auf einer flachen Stelle nördlich des Blockhauses. Hundeführer und Hunde wurden abgesetzt. Dann hob der Hubschrauber wieder ab.
Die Hundeführer ließen die Hunde einen Augenblick an einem benutzten Glas schnuppern, das Giuseppe aus dem Haus geholt hatte. Dann machten sie sich auf den Weg direkt nach Norden, hinauf ins Gebirge.
Um kurz vor fünf brach Giuseppe die Suche ab. Zunächst war von Westen Nebel herangerollt, dann hatte einbrechende Dunkelheit das Ihre getan.
Um ein Uhr hatten sie den Aufstieg ins Gebirge angetreten. Gleichzeitig waren alle Zufahrtswege unter Bewachung gestellt worden. Die Hunde hatten häufig die Spur verloren, sie aber immer wiedergefunden. Anfangs hatten sie geradewegs nach Norden gezogen, um dann an einem Bergkamm in westlicher Richtung abzubiegen und sich dann erneut Richtung Norden zu wenden. Sie befanden sich auf einer Hochebene, als Giuseppe in Absprache mit Rundström die Suche abbrach. Sie hatten zunächst eine Kette gebildet und sich anschließend über den Bergkamm verteilt. Zunächst war das Terrain gut begehbar, die Steigung war mäßig. Stefan merkte dennoch, daß er untrainiert war, aber er hatte nicht aufgeben wollen. Auf jeden Fall nicht als erster.
Da war etwas mit dieser Wanderung ins Gebirge hinauf. Zunächst eine vage, fast ungreifbare Ahnung, dann ein Erinnerungsbild, das sich langsam löste und immer deutlicher wurde.
Er war schon einmal im Gebirge gewesen. Die Erinnerung hatte er verdrängt. Er war sieben oder acht Jahre alt.
Es war gegen Ende des Sommers. Ein paar Wochen bevor die Schule wieder angefangen hatte. Seine Mutter war verreist. Ihre Schwester, die in Kristianstad wohnte, war plötzlich Witwe geworden, und seine Mutter war zu ihr gefahren, um ihr zu helfen. Eines Tages hatte sein Vater gesagt, daß sie den Wagen packen und eine improvisierte Ferienreise machen würden. Sie würden nach Norden fahren, zelten und billig leben. An die Autofahrt selbst hatte Stefan nur vage Erinnerungen. Mit einer seiner Schwestern saß er auf dem Rücksitz mit dem Gepäck zusammengepfercht, das der Vater aus irgendeinem Grund nicht aufs Dach binden wollte. Außerdem kämpfte er die ganze Zeit gegen die Reisekrankheit. Sein Vater war nicht begeistert davon, anhalten zu müssen, weil sich eines der Kinder übergeben mußte. Ob Stefan und seine Schwestern es geschafft hatten oder nicht, wußte er nicht mehr. Dieser Teil seines Erinnerungsbildes war verschwunden.
Er war letzter Mann in der Kette. Dreißig Meter vor sich sah er Erik Johansson, der dann und wann über Funk angerufen wurde und Fragen beantwortete. Mit jedem Schritt wurde Stefans Erinnerung deutlicher.
Wenn er damals acht gewesen war, waren neunundzwanzig Jahre vergangen. 1970, August 1970. Auf dem Weg zum Fjäll hinauf übernachteten sie zusammengepreßt im Zelt, und Stefan mußte über die anderen hinwegklettern, um hinauszukommen und zu pinkeln. Am nächsten Tag kamen sie an einem Ort an, dessen Name Stefan plötzlich wieder einfiel. Vemdalsskalet. Sie schlugen auf der Rückseite einer alten Blockhütte ihr Zelt auf, ein Stück vom Berghotel entfernt.
Er war darüber verwundert, daß er diese Reise hatte verdrängen können. Er war schon einmal in dieser Gegend gewesen. Warum hatte er sich nie daran erinnern wollen? Was war damals passiert?
Es gab eine Frau in seiner Erinnerung. Sie war gekommen, als sie gerade das Zelt aufbauten. Der Vater hatte die Frau auf der anderen Straßenseite entdeckt und war ihr entgegengegangen. Stefan und seine Schwestern hatten schweigend dagestanden und gesehen, wie sie sich die Hände gegeben und miteinander gesprochen hatten. Außer Hörweite. Stefan erinnerte sich, daß er gefragt hatte, ob eine seiner Schwestern wisse, wer die Frau sei. Aber sie hatten ihm nur zugezischt, er solle still sein. Es war ein Teil der Erinnerung, über den er lächeln konnte. Seine frühe Kindheit war davon geprägt, daß seine beiden Schwestern ihm ständig etwas zuzischten. Ihm befahlen, still zu sein. Sie hatten nie zugehört und ihn mit einer Verachtung angesehen, die er als Zeichen dafür verstanden
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