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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Ruhe haben und sich seinen eigenen Gedanken hingeben.
    »Where do you come from?« fuhr der Mann fort.
    »Argentina«, antwortete Aaron.
    Der Mann sah ihn mit glänzenden Augen an. »Entonces, debe hablar Espanol, Senor?«
    Seine Aussprache war nahezu perfekt. Aaron blickte ihn erstaunt an.
    »Ich bin zur See gefahren«, erklärte der Mann, immer noch auf Spanisch. »Ich habe ein paar Jahre in Südamerika gelebt. Das ist jetzt lange her. Aber wenn man eine Sprache ordentlich gelernt hat, dann vergißt man sie so schnell nicht wieder.«
    Aaron nickte.
    »Aber ich sehe, daß Sie Ihre Ruhe haben wollen«, sagte der Mann. »Das paßt mir ausgezeichnet. Das will ich auch.«
    Er bestellte noch ein Bier. Aaron probierte den Wein. Er hatte die Hausmarke bestellt, was er nicht hätte tun sollen. Aber er konnte seine Bestellung nun nicht mehr ändern. Das einzige, was ihn wirklich interessierte, war sowieso, daß sein Rausch nicht schwächer wurde. Ein Gebrüll erfüllte das Lokal. In dem Eishockeyspiel war etwas passiert. Blaugelbe Spieler umarmten sich. Das Essen kam. Zu seiner Verwunderung schmeckte es gut. Er bestellte mehr Wein. In ihm herrschte jetzt völlige Ruhe. Die Anspannung war einer großen und befreienden Leere gewichen.
    Herbert Molin war tot. Er, Aaron, hatte seinen Auftrag ausgeführt.
    Er hatte seine Mahlzeit gerade beendet, als sein Blick zufällig auf den Bildschirm fiel. Offenbar war Pause im Spiel. Eine Frau las die Nachrichten. Beinah wäre ihm das Weinglas aus der Hand gefallen, als plötzlich Herbert Molins Gesicht erschien. Was die Frau sagte, verstand er nicht. Er saß vollkommen still und spürte sein Herz schlagen. Einen kurzen Augenblick dachte er, daß sein eigenes Gesicht ebenfalls auf dem Bildschirm erscheinen würde.
    Aber es war nicht sein Gesicht, sondern das eines anderen alten Mannes. Ein Gesicht, das er wiedererkannte.
    Er wandte sich hastig zu dem Mann neben ihm um, der ganz in Gedanken versunken war.
    »Was sagen sie in den Nachrichten?« fragte er.
    Der Mann blickte zum Fernseher und hörte zu. »Es sind zwei Männer ermordet worden«, sagte er. »Erst einer, und dann noch einer. Irgendwo oben in Norrland. Einer war Polizist, der andere spielte Geige. Man nimmt an, daß es derselbe Täter war.«
    Das Bild im Fernseher verschwand. Jetzt wußte er, daß er sich nicht geirrt hatte. Zuerst war es Herbert Molin gewesen, dann der Mann, den er einmal gesehen hatte, als dieser Molin besuchte.
    Er war ebenfalls ermordet worden.
    Aaron stellte das Glas ab und versuchte nachzudenken. Derselbe Täter. Das stimmte nicht. Er hatte Herbert Molin getötet, aber nicht den anderen Mann.
    Er saß vollkommen starr da.
    Das Eishockeyspiel wurde fortgesetzt.
    Er begriff nicht, was passiert war.
    Die Nacht vom dritten auf den vierten November 1999 war eine der längsten, die Stefan Lindman je erlebt hatte. Als endlich mit einem schwachen Licht über den bewaldeten Höhenrücken die Morgendämmerung anbrach, kam es ihm vor, als befinde er sich in einem Vakuum, in dem die Schwerkraft aufgehoben war. Er hatte schon lange aufgehört zu denken. Alles, was um ihn herum vorging, war wie ein sonderbarer Alptraum. Ein Alptraum, der begonnen hatte, als er um den Felsblock herumgegangen und Abraham Anderssons Leiche an einen Baum gefesselt gesehen hatte. Jetzt, als es endlich hell zu werden begann, hatte er keine klare Vorstellung mehr, was in der Nacht geschehen war.
    Er hatte sich überwunden und war zu der Leiche gegangen, um zu untersuchen, ob der Puls noch zu spüren war. Obwohl er wußte, daß er endgültig aufgehört hatte zu schlagen. Abraham Anderssons Körper war noch warm. Die Leichenstarre hatte noch nicht eingesetzt. Das konnte bedeuten, daß der Mann, der ihn erschossen hatte, noch in der Nähe war. Daran, daß der im Seil hängende Mann erschossen worden war, bestand kein Zweifel. Im Schein der Taschenlampe hatte Stefan die Schußwunde unmittelbar oberhalb des Herzens sehen können. Es fehlte nicht viel, und er wäre in Ohnmacht gefallen, er war kurz davor, sich zu übergeben. Das Einschußloch war sehr groß. Andersson war aus nächster Nähe mit einer Schrotflinte hingerichtet worden.
    Plötzlich heulte der Hund an der Stelle, an der Stefan ihn angebunden hatte. Stefans erster Gedanke war, daß der Hund die Witterung des Täters aufgenommen hatte. Stefan war zum Haus zurückgelaufen, und die hervorstehenden Zweige hatten ihm das Gesicht zerkratzt. Irgendwo auf dem Weg hatte er sein Handy aus der

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