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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Brusttasche des Hemds verloren. Er hatte den Hund mit ins Haus gezerrt und den Notruf gewählt. Dem Mann, der sich in Östersund meldete, war der Ernst der Lage sofort klar. Stefan hatte Giuseppe Larssons Namen genannt, und danach stellte der Mann am anderen Ende der Leitung keine unnötigen Fragen. Er wollte wissen, ob Stefan ein Handy bei sich habe, und er hatte geantwortet, er habe es verloren. Der Mann in Östersund versprach, seine Nummer zu wählen, um ihm zu helfen, es im Dunkeln zu finden. Aber jetzt, wo es allmählich hell wurde, war das Telefon immer noch verschwunden. Er hatte zu keiner Zeit irgendwelche Signale gehört.
    Was war dann passiert? Stefan hatte ununterbrochen das Gefühl, daß der Täter sehr nahe war. Er war geduckt zu seinem Wagen gelaufen und hatte beim Zurücksetzen eine Mülltonne angefahren, als er wenden wollte, um zur Hauptstraße zu gelangen und auf die ersten Polizeiwagen zu warten. Der Mann in Östersund hatte gesagt, es wären Leute aus Sveg.
    Der erste, der kam, war Erik Johansson. Er hatte einen Kollegen bei sich, der Sune Hodell hieß. Stefan hatte sie zu der Leiche geführt, und sowohl Erik Johansson als auch der Kollege waren entsetzt zurückgewichen. Dann hatte sich die Zeit in Erwartung der Morgendämmerung dahingeschleppt. Sie richteten ihr Hauptquartier in Abraham Anderssons Haus ein. Erik Johansson stand ununterbrochen in telefonischem Kontakt mit Östersund. Irgendwann suchte er Stefan auf, der sich auf das Sofa im Wohnzimmer gelegt hatte, weil er plötzlich Nasenbluten bekommen hatte, und sagte, Giuseppe Larsson sei jetzt auf dem Weg. Die Wagen aus Jämtland waren kurz nach Mitternacht eingetroffen, und wenig später auch der Arzt, den Erik Johansson unter großen Schwierigkeiten in einer Jagdhütte nördlich von Funäsdalen aufgestöbert hatte. Er hatte Kollegen in Helsingland und Dalarna aufgescheucht und sie über das Geschehene informiert. Irgendwann im Laufe der Nacht hatte Stefan auch gehört, wie er mit der Polizei im norwegischen Röros gesprochen hatte. Die Männer der Spurensicherung hatten einen Scheinwerfer in der unwegsamen Waldpartie aufgebaut. Aber die Ermittlung konnte vor Anbruch des Tages nicht vorangebracht werden.
    Gegen vier Uhr morgens waren Giuseppe und Stefan allein in der Küche.
    »Rundström kommt, sobald es hell wird«, sagte Giuseppe. »Er und drei Hundeführer. Wir holen sie mit dem Hubschrauber her. Das ist am einfachsten. Er wird sich natürlich fragen, was du hier getan hast. Und ich muß ihm eine gute Antwort geben.«
    »Nicht du«, erwiderte Stefan, »ich muß ihm eine gute Antwort geben.«
    »Und welche?«
    Stefan überlegte, bevor er antwortete. »Ich weiß es nicht. Vielleicht wollte ich einfach hören, ob ihm noch etwas zu Herbert Molin eingefallen war.«
    »Und du landest mitten in einem Mord? Rundström wird verstehen, was du sagst, aber er wird es trotzdem eigenartig finden.«
    »Ich reise ab.«
    Giuseppe nickte. »Aber nicht bevor wir das, was hier passiert ist, ordentlich durchgesprochen haben.«
    Länger war ihr nächtliches Gespräch nicht gewesen. Dann war einer von Giuseppes Kollegen gekommen und hatte ihm mitgeteilt, daß die Polizei in Helsingborg Abraham Anders-sons Frau die Todesnachricht überbracht hatte. Giuseppe war verschwunden, um mit jemandem zu reden. Vielleicht mit der Frau. Über eins der vielen Handys, die unablässig klingelten. Stefan hatte sich gefragt, wie man eigentlich vor dem Mobilfunkzeitalter Verbrechensermittlung betrieben hatte. Er hatte sich in dieser Nacht überhaupt gefragt, welche Mechanismen in Kraft traten, wenn eine Mordermittlung in Gang kam. Es gab die Routine, die befolgt wurde, und an der niemand zu zweifeln brauchte. Aber jenseits dieser Routine, was geschah da? Stefan meinte zu sehen, was sich in Giuseppes Kopf abspielte, und er versuchte ebenfalls, klare Gedanken zu fassen. Aber er war von dem Bild wie gelähmt, das die ganze Zeit hinter seiner Stirn saß. Abraham Andersson in dem Seil am Baum. Das große Einschußloch. Ein oder zwei Schüsse aus einer Schrotflinte, aus nächster Nähe abgefeuert.
    Abraham Andersson war hingerichtet worden. Von irgendwo war ungesehen ein Exekutionskommando im Dunkeln aufgetaucht, hatte sein Strafgericht abgehalten, das Urteil vollstreckt und war dann ebenso ungesehen wieder verschwunden.
    Auch das hier ist kein gewöhnlicher kleiner Scheißmord, dachte Stefan in dieser Nacht mehrfach. Aber wenn es das nicht ist, was ist es dann? Zwischen Herbert

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