Die Rückkehr des Tanzlehrers
gehört es natürlich Ihnen und Ihrem Bruder. Im Moment ist es noch wichtig für die Ermittlung.«
»Ich wußte gar nicht, daß mein Vater Tagebuch geschrieben hat. Es erstaunt mich.«
»Warum?«
»Er war kein Mensch, der etwas schrieb, wenn es nicht nötig war.«
»Viele Menschen schreiben heimlich Tagebuch. Vermutlich hat es irgendwann in seinem Leben jeder mal getan.«
Er betrachtete sie, während sie ein Päckchen Zigaretten hervorholte.
Sie zündete sich eine an und sah ihm in die Augen. »Giuseppe Larsson sagte, daß die Polizei noch keine eindeutige Spur verfolgt. Aber alles spricht dafür, daß derselbe Mann, der meinen Vater getötet hat, auch den anderen umgebracht hat.«
»Den Sie nicht kannten?«
Sie sah ihn erstaunt an. »Warum sollte ich ihn gekannt haben? Sie vergessen, daß ich selbst meinen Vater kaum gekannt habe.«
Stefan dachte, daß er ebensogut direkt zur Sache kommen konnte. Die Fragen stellen, die er bereits formuliert hatte. »Wissen Sie, daß Ihr Vater Nazi gewesen ist?«
Er konnte nicht erkennen, ob die Frage sie überraschte.
»Was meinen Sie damit?«
»Kann man damit so viel Verschiedenes meinen? Im Tagebuch habe ich von einem jungen Mann aus Kalmar gelesen, der 1942 über die Grenze nach Norwegen gegangen ist, um sich als Freiwilliger bei der deutschen Wehrmacht zu melden. Er hat bis zum Ende des Krieges im Frühjahr 1945 für Hitler gekämpft. Dann ist er nach Schweden zurückgekehrt. Er hat geheiratet und Kinder bekommen. Zuerst Ihren Bruder, dann Sie. Er hat seinen Namen geändert, sich scheiden lassen, zum zweitenmal geheiratet und sich wieder scheiden lassen. Aber die ganze Zeit ist er überzeugter Nazi geblieben. Wenn ich mich nicht irre, bis zu seinem letzten Atemzug.«
»Und das hat er im Tagebuch geschrieben?«
»Es waren auch ein paar Briefe dabei. Und Fotos. Ihr Vater in deutscher Uniform.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das kommt für mich vollkommen überraschend.«
»Hat er nie über den Krieg geredet?«
»Nie.«
»Auch nicht über seine politischen Ansichten?«
»Ich wußte nicht einmal, daß er welche hat. In meinem Elternhaus wurde nicht über Politik geredet.«
»Man kann seine Ansichten doch auch durchscheinen lassen, wenn man nicht direkt über politische Fragen spricht.«
»Wie denn?«
»Man kann sein Menschenbild auf mancherlei Weise verraten.«
Sie überlegte und schüttelte dann den Kopf. »Ich kann mich aus meiner Kindheit erinnern, daß er einmal gesagt hat, er interessiere sich nicht für Politik. Daß seine Ansichten extrem gewesen sind, wußte ich nicht. Er hat sie gut verborgen. Wenn es denn stimmt, was Sie sagen.«
»In dem Tagebuch steht alles sehr deutlich.«
»Handelt es nur davon? Hat er nichts über seine Familie geschrieben?«
»Sehr wenig.«
»Das erstaunt mich eigentlich nicht. Ich bin mit dem Gefühl aufgewachsen, daß wir Kinder unserem Vater immer nur im Weg waren. Er hat sich nie ernsthaft um uns gekümmert. Er hat nur so getan.«
»Ihr Vater hatte übrigens eine Frau hier in Sveg. Ob sie seine Geliebte gewesen ist, weiß ich nicht. Ich habe keine Ahnung, was Menschen so tun, wenn sie über siebzig sind.«
»Eine Frau? Hier in Sveg?«
Er bereute, es gesagt zu haben. Es war eine Information, die sie von Giuseppe hätte bekommen sollen, nicht von ihm. Aber jetzt war es zu spät.
»Sie heißt Elsa Berggren und wohnt auf der Südseite des Flusses. Sie war es, die Ihrem Vater das Haus vermittelt hat. Sie teilte seine politischen Ansichten. Wenn man denn nationalsozialistische Ansichten als politisch bezeichnen kann.«
»Wie sollte man sie denn sonst bezeichnen?«
»Kriminell.«
Plötzlich hatte er das Gefühl, daß sie den Hintergrund seiner Fragen verstand.
»Glauben Sie, daß die Ansichten meines Vaters etwas mit seinem Tod zu tun haben?«
»Ich glaube gar nichts. Aber die Polizei muß alle denkbaren Möglichkeiten berücksichtigen.«
Sie zündete sich eine weitere Zigarette an. Stefan bemerkte, daß ihre Hände zitterten. »Ich verstehe nicht, warum mir das niemand erzählt hat«, sagte sie. »Sowohl, daß mein Vater Nazi gewesen ist, als auch das von dieser Frau.«
»Früher oder später hätte man Sie selbstverständlich darüber informiert. Eine Mordermittlung ist langwierig. Jetzt gibt es zwei Tote, deren Mörder gefunden werden müssen. Und einen verschwundenen Hund.«
»Ich dachte, der Hund wäre tot.«
»Das war der Hund Ihres Vaters. Aber jetzt ist Abraham Anderssons Hund verschwunden.«
Sie
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