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Die Rückkehr des Tanzlehrers

Die Rückkehr des Tanzlehrers

Titel: Die Rückkehr des Tanzlehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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schüttelte sich, als friere sie. »Ich will hier weg«, sagte sie, »jetzt noch mehr als zuvor. Irgendwann werde ich dieses Tagebuch lesen. Aber zuerst werde ich dafür sorgen, daß mein Vater begraben wird. Dann werde ich fahren. Ich werde gezwungen sein zu akzeptieren, daß der Vater, der nur vorgegeben hat, sich etwas aus mir zu machen, außerdem noch Nazi war.«
    »Was wird mit dem Haus geschehen?«
    »Ich habe mit einem Makler gesprochen. Wenn die Hinterlassenschaft aufgenommen ist, wird es verkauft. Wenn es denn jemand haben will.«
    »Sind Sie dagewesen?«
    Sie nickte. »Ich bin trotz allem hingefahren. Es war schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte. Vor allem diese entsetzlichen Blutspuren.«
    Das Gespräch versiegte. Stefan sah auf die Uhr. Er sollte jetzt losfahren, bevor es zu spät wurde.
    »Es ist schade, daß Sie abreisen.«
    »Warum?«
    »Ich bin es nicht gewohnt, allein in einem kleinen Hotel in der Pampa zu sitzen. Ich frage mich, wie es wäre, hier zu leben.«
    »Ihr Vater hat genau das gewählt.«
    Sie ging mit ihm hinaus in die Rezeption. »Danke, daß Sie sich die Zeit genommen haben«, sagte sie.
    Bevor er abfuhr, rief er Giuseppe an, um zu hören, ob sie den Hund gefunden hatten. Aber die Spur hatte auf einem Schotterweg geendet, nachdem Näsblom mit dem aufgeregten Hund über eine halbe Stunde durch den Wald gelaufen war.
    »Jemand hat ihn in einen Wagen verfrachtet, der dort gewartet hat«, sagte Giuseppe. »Die Frage ist nur, wer es war, und wohin sie gefahren sind.«
    Stefan fuhr nach Süden, über den Fluß und in den Wald. Hin und wieder bremste er, wenn er merkte, daß er zu schnell wurde. Sein Kopf war leer. Der einzige Gedanke, der ihm dann und wann in den Sinn kam, war, was mit Abraham Anderssons Hund passiert sein mochte.
    Kurz nach Mitternacht hielt er bei einem Imbißstand in Mora, der gerade geschlossen wurde. Nachdem er gegessen hatte, war er zu müde, um weiterzufahren. Er fuhr den Wagen an den Rand des Parkplatzes und rollte sich auf dem Rücksitz zusammen. Als er wach wurde, sah er auf seiner Armbanduhr, daß es drei Uhr war. Er ging in die Dunkelheit hinaus und pißte. Dann fuhr er weiter durch die Nacht. Nach ein paar Stunden hielt er erneut an, um zu schlafen.
    Als er erwachte, war es neun. Er drehte ein paar Runden um den Wagen, um sich die Beine zu vertreten. Am Abend würde er wieder in Boras sein. Wenn er nach Jönköping gekommen wäre, würde er Elena anrufen und sie überraschen. Gut eine Stunde später würde er vor ihrem Haus stehen. Doch als er Örebro passiert hatte, fuhr er wieder von der Straße ab. Er war jetzt klar im Kopf und fing an, sein Gespräch mit Veronica Molin vom vergangenen Abend noch einmal zu überdenken. Plötzlich war er sich sicher, daß sie nicht die Wahrheit gesagt hatte.
    Es ging um diese Sache mit ihrem Vater. Ob sie gewußt hatte oder nicht, daß er Nazi gewesen war. Sie hatte die Überraschte nur gespielt. Sie hatte es gewußt, aber versucht, es zu verbergen. Wieso er sicher war, daß sie nicht die Wahrheit gesagt hatte, wußte er nicht. Es gab noch eine weitere Frage, auf die er keine Antwort wußte. Kannte sie Elsa Berggren, obwohl sie es verneint hatte?
    Stefan stieg aus. Ich habe hiermit nichts zu tun, dachte er. Ich habe meine Krankheit, und der werde ich mich widmen. Ich werde nach Boras zurückkehren und mir eingestehen, daß mir Elena in diesen Tagen gefehlt hat. Wenn ich Lust dazu habe, werde ich Giuseppe anrufen und fragen, wie es steht. Mehr nicht.
    Dann beschloß er unvermittelt, nach Kalmar zu fahren, wo Herbert Molin unter dem Namen Mattson-Herzen geboren worden war. Wo alles angefangen hatte. In einer Familie, die Hitler und dem Nationalsozialismus gehuldigt hatte.
    In Kalmar würde er auch einen Mann namens Wetterstedt finden. Einen Porträtmaler, der Herbert Molin gekannt hatte.
    Stefan holte eine zerfledderte Landkarte aus dem Kofferraum. Es ist verrückt, dachte er, während er überlegte, welchen Weg er nach Kalmar nehmen sollte. Ich will nach Boras.
    Aber er wußte, daß er nicht loslassen konnte. Er wollte wissen, was mit Herbert Molin geschehen war. Und mit Abraham Andersson. Vielleicht auch, was sich hinter dem Verschwinden des Hundes verbarg.
    Am Abend kam er nach Kalmar. Es war der fünfte November. In vierzehn Tagen sollte seine Strahlenbehandlung beginnen.
    Zwanzig Kilometer nördlich von Västervik hatte es angefangen zu regnen. Das Wasser glänzte im Scheinwerferlicht, als er in die Stadt fuhr und nach

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