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Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Titel: Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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nicht rasch genug zuschlagen, um die Abwehr der Verräter zu durchbrechen.
    Im Feuerschein ihres Stabes und bei schwindendem Felslicht sah sie den Lichtbogen zwischen Rogers und Jeremiahs erhobenen Armen überspringen. Dann überwältigte das Erdbeben sie; der Fluss überwältigte sie, und sie wurde aus der Höhle mitgerissen. Ein letzter Blick zurück riss ihr Herz entzwei: Roger und Jeremiah waren verschwunden.

 

     

Zweiter Teil
     

»Opfer und Ausführende des Bösen«

1

Aus den Tiefen
     
     
    Als Linden Avery am Fuß des Berges in die Würgerkluft gespült wurde, ging die Sonne hinter dem Melenkurion Himmelswehr und dem Westlandgebirge unter. Die Bäume standen bereits im Schatten, und seit keine Sonne mehr schien, war die Luft wieder kalt genug, um in ihrer Kehle und Lunge zu brennen. Obwohl dies Caerroil Wildholz' Revier war, hatte der Winter die Würgerkluft fest im Griff, und Linden war bei ihrem langen Kampf aus dem Erdinneren heraus von eiskaltem Wasser und verdünntem Erdblut durchtränkt worden. Sie war bis ins Knochenmark ausgefroren, schwach vor Hunger und unvorstellbar erschöpft.
    Aber sie achtete nicht darauf.
    Ihr Sohn war tot, ebenso verdammt wie sie selbst, in der gleichen Nacht wie Roger und sie erschossen. Jetzt gehörte er Lord Foul und dem Croyel, die ihn nie mehr aus ihren Klauen lassen würden. Und sie konnte nicht hoffen, ihn je wieder zu erreichen. Zu viel Zeit lag zwischen seinen Armen und ihren, zwischen ihrer Liebe und seinen Qualen.
    Sie war nur noch Schmerz, und ihr Herz war Stein.
    Linden wusste nicht, wie sie überlebt hatte – oder weshalb. Nachdem Roger und Jeremiah entkommen waren, hatte sie sich durch Erdkraft und Instinkt irgendwie am Leben erhalten, den Fels durch Willenskraft umgeformt, herabstürzende Granitmassen pulverisiert oder von sich abgelenkt, war mehrmals in den schäumenden Fluss eingetaucht und hatte sich von Feuer und Wasser leiten lassen, während das Erdbeben den Melenkurion Himmelswehr erzittern ließ. Die ungeheuren Erschütterungen hatten nicht nur das Bergmassiv, sondern auch das Plateau an seinem Fuß gespalten, den Waldrand unter einer Trümmerflut begraben und eine riesige Staubwolke gen Himmel steigen lassen, aber dies alles nahm Linden nicht wahr. Sie merkte auch nicht, wie lange es dauerte, bis das Bergmassiv nicht mehr in seinen Grundfesten erzitterte. Das Flussbett war jetzt fast leer. Tief im Inneren des Berges entspringende Quellen würden die entstandenen Hohlräume erst wieder ausfüllen. Aber Linden hätte nicht sagen können, wie lange sie über Felstrümmer kletterte und stolperte, bis sie endlich ins Freie gelangte.
    Als sie schließlich über die neuen Schuttmassen am Südufer des Schwarzen Flusses kletterte und den dunkler werdenden Himmel über sich sah, wusste sie nur, dass sie ihren Sohn verloren hatte – und dass irgendein wichtiger Teil ihres Ichs ausgelöscht, in Schlachten verbrannt war, die ihre Kräfte überstiegen hatten.
    Sie war jetzt nicht mehr die Frau, die Rogers Grausamkeiten um Jeremiahs willen ertragen hatte. Sie hatte genug erlitten; sie hatte sich das Recht verdient, sich einfach hinzulegen und zu sterben. Trotzdem gab sie nicht auf, sondern stapfte in die Würgerkluft weiter. Hier würde der Forsthüter ihren Leiden bestimmt ein Ende machen, wenn Kummer und Entbehrungen es nicht vorher taten.
    Die Schatten unter den Bäumen wurden dunkler, ihre Rechte umklammerte weiterhin den Stab: ungeheilt und unbeachtet. In der linken Hand hielt sie Jeremiahs zerdrückten roten Rennwagen. Metall in ihrer Hand, Granit in ihrem Herzen. Der Stab beleuchtete ihren Weg nicht mehr. Sein Feuer war erloschen, als Linden den Berg verlassen hatte. In abendlichem Zwielicht und im ersten Sternenschein nahm sie kaum wahr, dass die außergewöhnlichen Energien, die ihr zu kämpfen und zu überleben geholfen hatten, den Stab schwarz gefärbt hatten, wie Ruß oder Ebenholz. Mit Hilfe von Erdblut und den Sieben Worten war sie nicht nur über sich selbst hinausgewachsen, sondern hatte auch ihren Stab verändert. Wie bei ihrem Sohn war die natürliche Reinheit des Holzes verloren gegangen.
    Aber Linden hielt sich nicht mit solchen Dingen auf, fürchtete auch nicht die kalte Nacht, die nahende Erschöpfung oder das Erscheinen des Forsthüters. Die eigene Schwäche und ihr wahrscheinlicher Tod waren bedeutungslos geworden. Ihr steinernes Herz schlug noch, aber in ihren Augen standen keine Tränen mehr. Sie ging nur, weil sie sonst nichts zu

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