Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
Verzweiflung hatte er später Herrenhöh verlassen, um erneut die Tänzerinnen der Meere aufzusuchen. Er konnte die Leidenschaft und Grausamkeit dieser lockenden Sirenen nicht vergessen. Die Verachtung seines Volkes hatte ihm keine andere Wahl gelassen.
Jetzt kam Cail mit seinen Toten in die Senke marschiert, als seien sie gekommen, um Strafgericht mit Strafgericht zu vergelten.
Auch sie machten auf halber Strecke halt, und auch sie sagten kein Wort. Mit Mondschein im Blick und Autorität in ihren Gesten winkten sie Stave und die Gedemütigten zu sich heran. Falls sie sich telepathisch an die lebenden Haruchai wandten, hörte Linden es nicht.
Aber weder Stave noch die Meister gehorchten.
Die Toten beharrten auf ihrem Befehl, hoch aufgerichtet und stolz. Wie ein Echo der leuchtenden Toten spiegelte sich der Silberglanz des Krill in Staves Auge und in den Augen der Gedemütigten, aber noch immer verließ keiner der Haruchai seinen Platz an Lindens Seite.
»Stave?«, flüsterte sie. »Was wollen sie? Was sagen sie?«
Stave schüttelte den Kopf. Er wandte den Blick nicht von Cail, Ceer und Hergrom ab. »Diese Nacht kennt keine Feindschaft«, sagte er wie zu sich selbst. »Die Toten weisen dich nicht zurück, arbeiten auch nicht gegen dich. Vielmehr versuchen sie, den Weg zu bereiten. Weitere Geister, auf die es Rücksicht zu nehmen gilt, bewohnen Andelain. Während Loriks Krill leuchtet, erfordert ihre Macht Unterwerfung. Sie werden kommen, um die Notwendigkeit von Freiheit zu bestätigen. Die Insequenten und die Elohim erkennen keine Macht außer der eigenen an. Sie bleiben, weil sie um sich selbst fürchten. Trotzdem wagen sie keine Herausforderung. Wollten sie Streit anfangen, würden sie trotz ihrer Theurgien ausgewiesen. Und sie können dich nicht umstimmen. Du liebst beide nicht. Deshalb kannst du nicht irregeführt werden.«
Sei in der Liebe vorsichtig. Auf ihr liegt ein Glanz, der das Herz an Vernichtung bindet.
Staves ruhige Stimme schien Liand und die Ramen aus der ihnen auferlegten Träumerei zu wecken. Sie reckten sich, als erwachten sie, drehten die Köpfe und sahen sich um. Linden fühlte, wie ihre Aufmerksamkeit zunahm, und Mahrtiir hob seine Hände mit der Garotte.
Wenig später schienen die toten Haruchai zu akzeptieren, dass sie abgewiesen worden waren. Cail strahlte Bekümmertheit aus, aber Ceer und die anderen blickten missbilligend und finster drein. Als sie sich zurückzogen, wirkten ihre Bewegungen vorwurfsvoll und steif.
»Stave?«, fragte Linden nochmals. Cails Traurigkeit konnte sie verstehen. Aber Hergrom, Ceer und die anderen waren die Vorfahren der Meister. Wären sie lebendig gewesen, hätten sie sich sicherlich den Gedemütigten angeschlossen.
Stave runzelte die Stirn. »Schweig, Auserwählte«, forderte er sie mit gepresster Stimme auf. »Die Toten haben keine Worte für deine Ohren. Sie dürfen dich nicht ansprechen. An diesem Ort müssen deine Taten deine eigenen sein – weder im Guten noch im Bösen von dem Rat und dem Wissen der Verstorbenen beeinflusst. So ist es angeordnet worden, und die Toten gehorchen.«
Weitere Geister bewohnen Andelain ...
Wer außer Covenant besaß die Autorität, den Toten befehlen zu können?
Ihre Antwort kam aus allen vier Himmelsrichtungen auf die Senke zu. Als die toten Haruchai hinter den anbetend tanzenden Flammengeistern verschwanden, schienen sich gewaltige Portale zu öffnen – Risse im Gewebe der Nacht –, aus denen vier riesige Gestalten traten.
Sie waren groß, staunenswert groß, jedoch nicht, weil sie Riesen, sondern weil ihre Geister groß waren. Und ihr Leuchten wetteiferte mit dem Feuer des Krill.
Eine Gestalt näherte sich aus Westen, und mit staunendem Entsetzen erkannte sie, dass es Berek Halbhand war. Aber dies war nicht der Berek, den sie kannte: müde und abgekämpft, von namenlosen Mächten verwirrt. Dies war Hoch-Lord Berek, Herz der Heimat, von Siegen und Lehrenwissen glänzend. Unter Anleitung des Theomachs hatte er sich verwandelt. Seine Augen glichen Sternen, und er betrachtete Linden mit ernster Freude: besorgt und dankbar zugleich.
Aus Norden kam ein weiterer mächtiger Geist, den Linden ebenfalls erkannte, obwohl sie ihn nur einmal als jungen Mann gesehen hatte. Er war Damelon, der Sohn Bereks, jetzt Hoch-Lord Damelon Riesenfreund. In seiner Zeit hatte er das Erdblut entdeckt und beschützt. Im Alter hatte er gewaltig an Leibesumfang zugelegt; als Toter erinnerte er vor dem Hintergrund der Dunkelheit
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