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Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Titel: Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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das Bild ihrer Geliebten könne vergehen, wenn sie sich ihnen zu hastig näherte. Die schwache Helligkeit ließ ihre Gesichtszüge verschwimmen. Trotzdem war jeder Irrtum ausgeschlossen. Jede hagere Linie von Covenants Gestalt war ihr vertraut. Sogar seine Kleidung – seine alten Jeans, die Stiefel und das T-Shirt, das zu viel Abnutzung und Schmerz gesehen hatte – war genau so, wie Linden sie in Erinnerung hatte. Als er seine Hände hob, konnte sie sehen, dass die beiden letzten Finger der rechten Hand fehlten. Sein strenger Blick spiegelte den rötlichen Fackelschein wider, als brenne er leidenschaftlich und zielstrebig.
    Und Jeremiah war in ihr Herz eingeprägt. Seinen schlaksigen Teenagerkörper kannte sie so gut wie ihren eigenen. Sein zerzaustes Haar und die von Schmutz oder Schatten stellenweise dunklen Wangen konnten sonst keinem gehören. Er trug noch immer den himmelblauen Schlafanzug mit den galoppierenden Wildpferden auf der Brust, in dem sie ihn vor Tagen oder Welten zu Bett gebracht hatte. Jetzt war er zerrissen und mit Schmutz oder Blut befleckt. Und genau wie bei Covenant war seine Rechte durch die Amputation zweier Finger – in seinem Fall Zeige- und Mittelfinger – entstellt.
    Nur die Lebhaftigkeit, die aus seinen schlammfarbenen Augen sprach, passte nicht zu Lindens Erinnerung an ihn.
    Die Dunkelheit wich zurück, als die Gedemütigten, denen sich auch ihre Gefährten anschlossen, weitere Fackeln entzündeten, sie in die Höhe hielten und ihr folgten, wie angezogen von einer unsichtbaren Kraft. Jetzt konnte Linden den durch die Messerstiche verursachten Riss in Covenants Hemd und die alte Narbe auf seiner Stirn deutlich erkennen. Und das drohende, fordernde Blitzen, das das Feuer in seinen Augen auflodern ließ. Seine Erscheinung hatte sich kaum verändert. Nach zehn Jahren und über drei Jahrtausenden war das Grau aus seinem Haar verschwunden, sah er trotz seiner Hagerkeit jünger aus. Auch die Narben der Wunden aus jener Zeit, in der Linden ihn gekannt hatte, waren fort – weggebrannt vom Eintauchen in wilde Magie. Und doch war ihr jeder Zug seines Gesichts kostbar. Aber es gab etwas in ihr, das tiefer war als ihre Liebe zu ihm, und so wandte sie sich von ihm ab und Jeremiah zu.
    Nur noch zehn Schritte trennten sie von ihrem Sohn, als Covenants Stimme sie erneut bis ins Mark traf. Schroff war sie, duldete keinen Widerspruch: » Rühr ihn nicht an! Rühr keinen von uns an!«
    Doch Linden machte nicht halt. Das konnte sie nicht. Sie hatte zu lang getrauert, sich zu lange gesorgt. Und sie hatte in Jeremiahs Blick noch nie zuvor etwas wie waches Bewusstsein gesehen. Hatte noch nie erlebt, dass er wie jetzt reagierte und handelte. Sie konnte nicht stehen bleiben, ehe sie ihn in die Arme geschlossen hatte, seinen Herzschlag an dem ihrigen spürte.
    Doch als sie immer näher kam, erschien auch auf dem Gesicht ihres Sohnes ein bestürzter, fast panischer Ausdruck. Dann hob er seine verstümmelte Hand, und es schien Linden, als dränge er sie durch bloße Willenskraft zurück. Seine Kraft war wie heißer Dampf, nahezu stofflich sichtbar für ihren Gesundheitssinn, und nur Wimpernschläge darauf wieder verschwunden. Trotzdem erstarrte Linden in der Bewegung, wie durch seinen Blick gebannt. Der Schock über seine Fähigkeit, sie zurückzuweisen, raubte ihr Willen und Zielstrebigkeit. Selbst ihr instinktiver Wunsch, ihn zu umarmen, erstarrte.
    Auf Mahrtiirs Befehl hin entfernten Bhapa und Pahni sich, um den Meistern zu helfen, die Pferde zu versorgen. Der Mähnenhüter selbst blieb mit Liand, Anele und Stave hinter Linden.
    »Er hat recht«, sagte Jeremiah, und das waren die ersten Worte, die Linden aus seinem Mund hörte. Seine Stimme klang unstet wie das Fackellicht, zwischen Kindheit und Erwachsensein, mal Knabensopran, mal Männerbariton. »Du darfst keinen von uns berühren. Und du darfst diesen Stab nicht benutzen.« Er grinste, und im flackernden Feuerschein sah sie einen kleinen Muskel wie einen Puls in seinem linken Augenwinkel zucken. »Du würdest uns verschwinden lassen.«
    Schock und Sehnsucht flammten in Linden auf, doch überwältigten sie nicht. Sie hatte plötzlich keine Tränen mehr. Von einem Herzschlag zum anderen schien sie nicht mehr von ihren Lieben, sondern von ihren Albträumen umgeben zu sein.
    Die Mahdoubt hatte sie ermahnt: Sei in der Liebe vorsichtig. Sie kann irreführen. Auf ihr liegt ein Glanz, der das Herz an Vernichtung bindet. Und Covenant hatte schon vor einigen Tagen

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