Die Rückkehr nach Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
fragte Sheila entsetzt, als sie den Raum ohne Tageslicht sah.
»Die meisten Bewohner der Unterstadt haben Wohnungen ohne Fenster«, antwortete Talita. »Und wir haben noch Glück, unsere Feuerstelle hat wenigstens einen Rauchabzug. Anderen geht es viel schlechter, sie haben den ganzen Qualm in der Wohnung, wenn gekocht wird. Kommt doch rein.«
Als sich Sheilas Augen an das düstere Licht gewöhnt hatten, blickte sie sich neugierig um. Trotz der fehlenden Fenster sah Talitas Zuhause freundlich und sauber aus. Man merkte, dass jemand versucht hatte, die Wohnung so gemütlich wie möglich zu machen. Auf dem Lehmboden lagen frische Binsen, die einen angenehmen Geruch verströmten. Öllämpchen flackerten in den Wandnischen und verbreiteten einen warmen Lichtschein. An den Wänden hingen gewebte Bilder, die Fische und Pflanzen zeigten.
»Die hat meine Mutter gemacht, als mein Bruder und ich nochganz klein waren«, sagte Talita und lud das Netz mit den Muscheln auf dem Boden ab.
»Toll«, meinte Sheila bewundernd. Talitas Mutter war eine richtige Künstlerin!
»Talita, bist du zurück?« Eine große Frau kam aus einem Nebenraum. Als sie Sheila und Mario sah, lächelte sie. »Ich sehe, du hast Gäste mitgebracht.«
»Ich habe Sheila und Mario draußen getroffen«, erzählte Talita. »Sie haben mir beim Muschelnsammeln geholfen.«
Mario und Sheila grüßten höflich.
Mutter und Tochter sahen sich sehr ähnlich. Allerdings war Talita lang und dünn, wohingegen Anjalas Formen runder und weicher wirkten. Beide hatten leuchtend blaue Augen und glänzendes schwarzes Haar. Anjala trug ein einfaches graues Gewand. Rund um den Halsausschnitt waren goldene Delfine auf den Stoff gestickt. Dadurch wirkte das Kleid trotz seiner Schlichtheit sehr schön.
Jetzt entdeckte Anjala, dass Talita am Arm verletzt war, dort, wo die Mördermuschel sie festgehalten hatte.
»Oh, lass sehen, Talita. Wie ist das passiert?«
»Ich bin an einem Felsen hängen geblieben«, log Talita und warf Sheila und Mario einen verschwörerischen Blick zu. »Es ist nicht schlimm, nur ein kleiner Kratzer.« Sie zog ihren Arm zurück und bedeckte die Verletzung mit der Hand.
»Du weißt, dass es gefährlich ist, wenn du im Meer blutest?« Anjala wirkte sehr besorgt.
»Natürlich, Mutter.« Talita nickte. »Aber es waren keine Haie in der Nähe.«
»Ich möchte nur, dass du vorsichtig bist«, sagte Anjala. »Ich will nicht, dass dir dasselbe passiert wie Jolies Tochter.«
Talita schnitt eine Grimasse. »Mutter, Mario und Sheila langweilen sich bestimmt schon. Ich habe ihnen gesagt, dass sie das Hochzeitskleid sehen dürfen. Und sie können doch bei uns essen? Ohne sie hätte ich nicht so viele Muscheln gefunden. Es wird ja immer schwieriger.«
»Na gut, dann kommt mit«, sagte Anjala freundlich zu Mario und Sheila. »Ich kann mir vorstellen, dass ihr sehr neugierig auf Melusas Kleid seid.«
Sie führte die beiden in den Nebenraum. Sheila hielt den Atem an. Vor ihr stand ein hölzerner Webstuhl. Das feine Gewebe darauf schimmerte wie pures Gold.
»Das ist ja Wahnsinn«, rutschte es Sheila heraus. »Darf ich den Stoff mal anfassen? Ich bin auch sehr vorsichtig.«
»Wenn deine Hände sauber sind.« Anjala lächelte, als Sheila ihre Handflächen nach oben drehte. »In Ordnung.«
Sheila berührte behutsam den Stoff aus Muschelseide. Er war hauchdünn. Sie hatte noch nie einen so zarten und schönen Stoff gesehen.
»Er ist wunderbar«, murmelte sie. »Und wie gleichmäßig er gewebt ist.«
»Meine Mutter ist ja auch die beste Weberin«, sagte Talita stolz. »Deswegen ist sie ausgewählt worden, den Stoff für das Hochzeitskleid zu fertigen.«
»Es ist eine große Ehre für mich«, meinte Anjala. »Aber jetzt kümmere dich bitte um die Muscheln, Talita. Ich brauche so bald wie möglich die neue Seide, sonst kann ich nicht weitermachen.«
Sheila und Mario gingen mit Talita zurück in den Wohnraum. Talita nahm die Muscheln aus dem Netz und fing an, den Bart abzureißen.
Sheila bot ihre Hilfe an, aber Talita lehnte ab.
»Man muss den richtigen Dreh raushaben, damit der Bart nicht beschädigt wird«, erklärte sie. »Aber ihr könnt nachher helfen, die Seide zu waschen.«
Sheila wollte auf keinen Fall den kostbaren Rohstoff kaputt machen. Fasziniert sah sie zu, wie schnell und zielstrebig Talita arbeitete. Das Mädchen warf die abgetrennten Bärte in einen bereitstehenden Holzbottich, der mit Wasser gefüllt war.
»Die Bärte müssen ordentlich gespült
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