Die Rückkehr nach Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
nutzte.
»Wer bist du, du Wicht?«, zischte der Koloss und ließ die Peitsche knallen, die Mario nur um Millimeter verfehlte. »Das sollst du büßen!«
Mario trat gegen sein Handgelenk und der Wächter ließ die Peitsche fallen. Aber das Kurzschwert hatte er noch immer. Mario duckte sich blitzschnell und die Klinge sauste ins Leere. Der Junge umrundete den Mann, fasste dessen freien Arm und drehte ihn ihm auf den Rücken. Der Wächter ließ das Schwert fallen und ergriff Mario am Bein, um ihn zu Fall zu bringen. Fast wäre es ihm auch gelungen. Nur mit Mühe konnte Mario das Gleichgewicht halten. Dann gab er plötzlich nach und sie landeten beide auf dem Boden. Das Gewicht des Kolosses hätte Mario vielleicht die Knochen zerschmettert, doch der Junge rollte sich rasch zur Seite.
Mit einem Satz kam er wieder auf die Beine und spurtete los. Bis sich der Mann aufgerappelt hatte und die Verfolgung aufnahm, war Mario schon am Ende des Ganges und bog nach rechts ab.
Renn! Lauf um dein Leben!
Er musste einen möglichst großen Abstand zwischen sich und seinen Verfolger bringen! Mario hatte keine Ahnung, wohin er lief. Das Labyrinth war gigantisch. Der Gestank auch. Es roch nach verwesten Fischen, nach Fäkalien, nach Fett und faulen Eiern. Einmal war sich Mario sicher, dass er mit seinem nackten Fuß auf eine Ratte getreten war. Etwas später rutschte er auf einer Schleimschicht aus, schlitterte ein Stück und konnte sich gerade noch mit den Händen an einer Mauer abfangen. Sein Herz hämmerte gegen die Rippen. War es ihm gelungen, den Mann abzuhängen? Marios Atem ging keuchend. Er versuchte, so leise wie möglich zu atmen, und lauschte. Außer dem Geräusch von tropfendem Wasser war nichts zu hören. Mario lehnte sich gegen die Wand. Er war völlig erschöpft und schweißüberströmt.
Als es in einer Ecke raschelte, zuckte Mario zusammen.
Mist! Er hat mich gefunden! Ich muss im Kreis gelaufen sein!
Mario machte sich bereit zur Flucht, obwohl er am Ende seiner Kräfte war.
»Mario?«
Es war nur ein Flüstern, aber er erkannte Talitas Stimme.
»Talita?«
Ein Schatten löste sich aus der Ecke, dann schlangen sich zwei Arme um seinen Leib. Mario spürte Talitas mageren Körper. Sie zitterte vor Angst.
»Danke! Du hast mich gerettet.« Sie schluchzte leise und presste ihren Kopf gegen seine Schulter. »Ohne dich hätte er mich erwischt. – Oh Mario, sie werden mich bestimmt umbringen!«
Es machte Mario verlegen, dass sich ein Mädchen eng an ihn schmiegte. So etwas war er nicht gewohnt. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Erwartete sie, dass er sie streichelte, um sie zu trösten? Zögernd hob er seine Hand, berührte sachte ihre Haut und zuckte dann zurück. Nein, das konnte er nicht. Das hätte er vielleicht bei Sheila geschafft, aber nicht bei Talita. Sie war ihm zu fremd.
Er fasste sie an den Armen und schob sie ein Stück zurück, ganz sachte, um sie nicht zu beleidigen.
»Was ist los, Talita? Was hast du so Schlimmes gesehen? Warum wirst du verfolgt?«
»Sie lügen, Mario«, stieß Talita hervor. »Zaidon und seine Leute. Sie lügen uns die ganze Zeit an. Sie sagen, dass die Alten und Kranken ins Paradies kommen. Das stimmt nicht, Mario. Die Morgenröte … das ist Blut!«
Wieder lehnte sie sich an Mario und wurde von Schluchzern geschüttelt. Diesmal schob er sie nicht weg. Das, was sie eben gesagt hatte, war zu entsetzlich. Er konnte es nicht glauben.
»Wie?«
»Es heißt, wenn das Tor zu Talana offen steht, färbt sich das Meer rot«, antwortete Talita und schniefte. »Sie nennen es Die Morgenröte . Der Anblick sei so wunderbar, dass kein Meereswandler ihn erträgt. Deswegen ist es streng verboten, dabei zu sein. Ich war zufällig bei den schwarzen Felsen. Ich wusste nicht, dass wieder der Tag des Paradieses ist. Da hab ich den Todeszug gesehen. Mindestens zwanzig Haie. Sie haben die Delfine angegriffen – und dann wurde das Wasser rot … Zaidon lügt, Mario! Die Alten und Kranken kommen nicht ins Paradies. Sie werden … Die Haiefressen …« Ihre Stimme brach ab, sie konnte nicht weitersprechen.
Mario hielt Talita fest und hoffte, dass sie sich beruhigen würde. Es musste schrecklich sein, was sie erlebt hatte. Und sie war in großer Gefahr. Zaidon wollte bestimmt nicht, dass seine Lügengeschichte aufflog!
»Glaubst du mir?«, fragte Talita leise. »Ich habe es bisher niemandem erzählt, nicht einmal meiner Mutter.« Sie schluckte. »Was soll ich nur machen, Mario? Seit
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