Die Rückkehr nach Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
sterben.
Mario. Sie versuchte, sich sein Gesicht ins Gedächtnis zurückzurufen. Sein blondes Haar, sein nettes Lächeln. Wie mutig er gewesen war, als er sie gerettet hatte.
Plötzlich vernahm sie ein Rascheln in der Ecke. Talita dachte gleich an Ratten, doch dann hörte sie genauer hin und merkte, dass es etwas Größeres sein musste, das dieses Geräusch verursachte. Jemand stöhnte. Talita zuckte zusammen. Sie war nicht allein im Verlies.
»Hallo?«, fragte sie. »Ist da jemand?«
»Wer bist du?«, kam eine müde Antwort zurück. »Bist du der Bote des Todes und gekommen, um mich endlich zu holen? Mach schnell, ich warte schon lange auf dich.«
Talita war erleichtert, dass sie die Stimme einer alten Frau vernahm. Sie entspannte sich etwas.
»Ich bin kein Todesbote«, sagte sie. »Ich bin Talita, die Tochter von Anjala, der Weberin. Wer bist du und wie lange bist du schon hier?«
»Ich habe die Tage und Nächte nicht gezählt«, erwiderte die Alte. »Hier im Kerker werden die Minuten zur Ewigkeit. Ich bin Saskandra.«
Talita schnappte überrascht nach Luft. Die berühmte Saskandra, Zaidons beste Seherin! Konnte das sein? Talita hatte immer gedacht, dass Zaidon große Stücke auf sie hielt. Warum war sie hier im Verlies gelandet?
»Ich bin in Ungnade gefallen«, sagte Saskandra, ohne dass Talita ihre Frage ausgesprochen hatte. »Ich kann schlecht lügen und habe unserem Herrscher leider sagen müssen, dass seine Hochzeit nicht stattfinden wird. Meine Worte waren mein Unglück.Ich hätte besser den Mund halten sollen, aber auch eine Seherin handelt nicht immer klug. So muss ich nun für meine Dummheit büßen. – Und was hast du angestellt, dass Zaidon dich in den Kerker geworfen hat? Deine Stimme klingt sehr jung.«
»Ich bin dreizehn«, antwortete Talita. »Und man hat mich gefangen genommen, weil ich gegen das dreizehnte Gebot verstoßen habe.«
»Dreizehn und das dreizehnte Gebot.« Saskandra lachte trocken. »Das klingt beinahe, als hätte es so sein sollen. Dann hast du die Morgenröte gesehen, das Festmahl der Haie?«
»Du weißt … Bescheid?« Talita schluckte.
»Ich bin zwar blind, doch dafür funktionieren meine anderen Sinne umso besser, Tochter der Weberin. Wenn du ein wenig näher zu mir herüberrutschst, kann ich deine Hand anfassen und dir die Zukunft voraussagen. Vorausgesetzt, du hast keine Angst, dass du dir von mir Ungeziefer holst. Aber wenn die Flohstiche jucken, merkt man wenigstens noch, dass man am Leben ist.« Wieder lachte Saskandra.
»Du kannst mir wirklich die Zukunft voraussagen?«, fragte Talita neugierig.
»Natürlich. Was glaubst du, was ich all die Jahre gemacht habe? Komm schon, Kleine, gib mir deine Hand.«
Talita biss sich auf die Lippe. Was, wenn Saskandra ihr prophezeite, dass sie hier im Kerker ihre letzten Tage verbringen würde?
Egal, dachte Talita. Ich will wissen, was mir bevorsteht.
Vorsichtig tastete sie sich über den Boden an Saskandra heran. Einmal spürte sie unter ihren Fingern einen haarige Spinne.Angewidert zog sie die Hand zurück. Dann endlich ertastete sie den Arm der alten Frau. Er fühlte sich kühl an, fast so wie der Arm einer Toten, aber gleich darauf griffen Saskandras Finger nach Talitas Hand, und diese Finger packten noch erstaunlich kräftig zu.
»Gib mir deine rechte Hand, meine Liebe.« Saskandra knetete Talitas Haut und befühlte ausführlich ihre Handfläche. »Hm«, murmelte sie, »hm … ja … so … Das dachte ich mir …«
»Und?« Talita wurde ungeduldig. »Was siehst du? Was wird mit mir passieren?«
»Nicht so hastig, Weberstochter! Ich sehe … einen jungen Mann, er ist blond … Oh ja, ich merke, dass dein Herz schneller schlägt, er ist dir wohl nicht gleichgültig … Er rettet dich … Stopp … die Zeit … Das könnte schon passiert sein … das Ereignis liegt in der Vergangenheit, stimmt’s?«
»Ja«, flüsterte Talita, beeindruckt von Saskandras hellseherischen Fähigkeiten. »Es gibt tatsächlich einen jungen Mann. Er hat mich gestern gerettet … Ich wurde nämlich verfolgt …«
»Und du hast dich ein bisschen in deinen Retter verliebt.«
»Das weiß ich nicht«, murmelte Talita, aber im selben Moment wurde ihr klar, dass Saskandra recht hatte.
»Du wirst ihn wiedersehen«, sagte Saskandra. Talita hörte an ihrer Stimme, dass sie lächelte.
»Wann?«, fragte sie atemlos. Bedeutete das, dass sie nicht in diesem Verlies sterben musste? Oder würde Zaidon auch Mario gefangen nehmen lassen
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