Die Rückkehr nach Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
schwimme ich ganz sicher nicht durch die stinkenden Kanäle!«
Natürlich war das gelogen, er würde sie immer und überall befreien. Das schien Sheila genau zu wissen, denn sie streckte ihm nur frech die Zunge raus.
»Musst du ja auch nicht. Weil ich nämlich nicht gefangen werde!«
So cool, wie Sheila am Tag zuvor getan hatte, war sie keineswegs. Die Nerven flatterten ihr gehörig, als sie neben Isira vor Zaidons Palast stand und darauf wartete, eingelassen zu werden.
Es war ein sonniger Tag. Die goldenen Kuppeln des Palastes glänzten so grell, dass Sheila die Augen zukneifen musste. Am tiefblauen Himmel flogen kreischend ein paar Möwen. Fahnen wehten im Wind.
Die Schlange vor dem Tor war lang. Es waren viele Mädchen gekommen, um sich als Delfintänzerinnen zu bewerben. Sie schnatterten aufgeregt und redeten über ihre Chancen. Sheila musste an die Mädchen in ihrer Hamburger Klasse denken. Hätte man diese Atlanterinnen in Jeans und T-Shirt gesteckt, so hätte man kaum einen Unterschied gemerkt. Sheila nahm an, dass es sich ausnahmslos um Mädchen aus der Oberstadt handelte. Sie hatten sich alle ziemlich herausgeputzt und trugen feine Kleider. Sheila hatte noch immer das Gewand an, das sie vor Kurzem von Talita bekommen hatte. Es war sehr einfach, aber die Stickerei am Kragen machte es zu etwas Besonderem. Darunter fühlte Sheila das Amulett. Hoffentlich brachte es ihr Glück!
Isira plapperte ununterbrochen. »Vierundzwanzig Mädchen werden genommen. Es heißt, dass Zaidon die meisten schon ausgesucht hat. Es sind vielleicht noch zwei, drei Plätze übrig.« Sie sahSheila aufgeregt an. »Freust du dich denn auch schon so auf die Hochzeit? Es wird sogar ein großes Feuerwerk geben …«
Sheila kam gar nicht dazu, zu antworten, weil Isira keine Pause machte. Von den Gärten ringsum wehte süßer Blumenduft herüber. Hätte Sheila nicht so weiche Knie gehabt, hätte sie die prachtvolle Natur viel mehr genossen.
Die anderen Mädchen waren jedoch mindestens ebenso aufgeregt – wenn auch aus anderem Grund.
»Ein paar Delfintänzerinnen dürfen vielleicht als Tänzerinnen am Hof bleiben«, sagte Isira. »Oh, ich wünsche mir so sehr, dass ich genommen werde. Meine Eltern würden so stolz auf mich sein. Deine sicher auch, oder?«
Sheila nickte geistesabwesend. Sie betrachtete den riesigen Palast und fragte sich, wie sie darin das gestohlene Herz finden sollte.
Die Schlange rückte nur langsam vorwärts. Endlich konnten auch Sheila und Isira den Palast betreten.
Drinnen war es kühl wie in einer großen Kirche. Sheila war beeindruckt von dem bunten Licht, das durch die Fenster fiel, und von den Malereien an den Wänden. Sie gelangten in einen kreisrunden Saal, der prächtig verziert war. Sheila hatte jedoch nur Augen für den Mann, der auf dem purpurnen Thron saß: Zaidon. Der Mann, den sie am meisten hasste und fürchtete. Ihre Hände krampften sich zusammen. Sie erkannte ihn sofort wieder, obwohl er jetzt ganz anders aussah. Sheila hatte ihn als uralten Mann kennengelernt, der mehr als sechstausend Jahre lang gelebt hatte – eine kleine, mumienhafte Gestalt mit verkrümmten Gliedern. Der gut aussehende Mann auf dem Thron war jedoch schätzungsweise zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt. Erwar groß und schlank, braun gebrannt und hatte schwarze Haare. Seine smaragdgrünen, leuchtenden Augen waren allerdings unverwechselbar.
Als Zaidons Blick Sheila streifte, hatte sie Angst, dass er gleich aufstehen und sie zur Rede stellen würde. Obwohl sie sich sagte, dass er sie gar nicht erkennen konnte, begann sie am ganzen Körper zu zittern. Sie erinnerte sich daran, wie grausam Zaidon zu Marios Mutter gewesen war. Dieser Mann war ein Ungeheuer, er kannte keine Gnade und keine Barmherzigkeit.
»Nun – lasst euch ansehen«, befahl Zaidon und machte eine Handbewegung.
Isira, Sheila und ein drittes Mädchen mussten um das Wasserbecken herum und an seinem Thron vorbeigehen. Isira stolperte vor lauter Nervosität über ihre eigenen Füße.
Ein Flötenspieler, der schräg hinter Zaidon auf dem Boden saß, begann zu spielen. Zaidon forderte die Mädchen auf, nach der Melodie zu tanzen.
Sheila hatte ein gutes Taktgefühl. In der Schule hatte ihr Rhythmische Sportgymnastik immer Spaß gemacht. Sie erinnerte sich an ein paar Schrittfolgen, die sie gelernt hatte und die gut zu der Melodie passten. Sie schwang die Arme, bewegte die Hüften, machte einen Ausfallschritt und drehte sich schwungvoll im Kreis. Es war
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