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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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und er würden tagelang weder ins Badezimmer noch zu Wort kommen. Blieb nur zu hoffen, daß der alte Galvano doch noch zusagte. Aber Laurenti protestierte nicht, obwohl ihm soeben verkündet worden war, daß es, anders als erhofft, keine ruhigen Feiertage würden. Er hatte sich schon vor vielen Jahren daran gewöhnen müssen, daß solche Entscheidungen stets ohne ihn getroffen wurden. Wenigstens mochte er Lauras Schwester Marta ganz gerne, die mit vierzig die jüngste in der Großfamilie Tauris war – und die hübscheste. Nach einer gescheiterten Ehe wohnte sie wieder bei ihrer Mutter, oben in San Daniele im Friaul, und kümmerte sich mit Intelligenz und Tatkraft um die Schinkenproduktion im elterlichen Betrieb. Damit war zumindest klar, was es als Antipasto gab.
    »Lauter Mütter«, grummelte er, während er als letztes die Bartstoppeln am Kinn abschabte. »Zwei Omas, du und Patrizia.«
    »Und Livia ist die nächste«, fügte Laura hinzu.
    Laurenti zuckte zusammen, Blut verfärbte den kleinen Rest Rasierschaum.
    »Du bist vielleicht nervös.« Laura amüsierte sich köstlich. Sie griff zum Handtuch und betupfte das Kinn ihres Mannes. »Du armer Opa.«
    Proteo Laurenti seufzte leise.
     
    In der Questura herrschte sonntägliche Ruhe, und auch die Straßen waren wie leergefegt. Nur vom Mercatino, dem Flohmarkt in den Gassen des ehemaligen Ghettos vor der Questura, drangen die Stimmen der ersten Neugierigen herüber, die hofften, zu dieser frühen Stunde ein Schnäppchen zu machen. Marietta hingegen war mies drauf. Wenigstens darauf war Verlaß, vor allem morgens. Die dick aufgetragene Schminke betonte ihren Schlafmangel mehr, als sie ihn vertuschte. Sie behauptete, bereits seit sechs Uhr vor dem Bildschirm zu sitzen. Noch zwei Bänder habe sie vor sich, aber wenn auf denen so wenig zu holen wäre wie auf den anderen, dann hätte sie auch ausschlafen können.
    »Wen hast du da eigentlich auf dem Parkplatz kontrolliert?« fragte sie muffig.
    »Ich?«
    »Ja, du! Einen dicken Mann mit einem Range Rover.«
    »Der hatte Papiere vom slowenischen Geheimdienst. Warum?«
    »Der Mann, der in Manfredis Jauchegrube geangelt hat, war auch dick.«
    »Deshalb habe ich ihn mir vorgeknöpft. Schau jetzt die restlichen Bänder an. Ich bekomme um elf Uhr Besuch von Pausin aus Koper.« Laurenti ging in sein Büro, warf den Stapel Tageszeitungen, die er gekauft hatte, auf den Tisch und suchte die Nummer von Rožman heraus. Doch legte er sofort wieder auf. Er staunte, als er den mißmutigen Gesichtsausdruckder kleinen Inspektorin sah, die zaghaft eingetreten war und wie ein Häuflein Elend vor ihm stand.
    »Der erste Tag ohne Stock?« fragte Laurenti, um sie aufzumuntern.
    »Warum haben Sie mir nicht Bescheid gesagt, Commissario?« Pinas Tonfall klang bitter.
    Laurenti hob die Augenbrauen.
    »Ich habe es rein zufällig aus den Nachrichten um Mitternacht erfahren. Sie wissen doch, daß Duke der Vater von Sedem ist.«
    »Mich wundert, daß Sie nicht bei ihm sind.«
    »Ich habe gestern abend im Büro auf Sie gewartet. Ich dachte, Sie brauchten mich.«
    »Haben Sie mit Sedem gesprochen?« Laurenti stutzte, auch die junge Inspektorin war drauf und dran, ihr Privatleben für die Arbeit zu opfern.
    »Er nimmt nicht ab«, sagte Pina mit einem hilflosen Achselzucken. »Hoffentlich ist nicht auch ihm etwas zugestoßen.«
    Laurenti warf einen Blick auf die Uhr. »Bis elf haben wir Zeit. Kommen Sie. Wir fahren rüber.«
    Pina zierte sich nur kurz, sie war erleichtert, daß ihr Chef mitkam. Sie hatte in der Nacht kein Auge zugetan, nachdem sie noch einmal das Fernsehgerät eingeschaltet hatte, bevor sie zu Bett ging. Zufällig erwischte sie die Erkennungsmelodie der Spätnachrichten und folgte fassungslos den Bildern und dem Bericht. Unablässig versuchte sie daraufhin, Sedem zu erreichen, immer vergeblich.
    Aus dem Auto telefonierte Laurenti mit Rožman und vereinbarte, auf dem Rückweg an der Polizeistation Sežana Halt zu machen. Pina saß mit verkrampften Händen neben ihm, und jedesmal, wenn sie antwortete, räusperte sie sich zuerst. Ganz offensichtlich war sie mit ihrem Latein der Emotionen am Ende. Laurenti versuchte sie abzulenken und erzählte,wie er als ganz junger Polizist einst in Mailand in einen Schußwechsel geraten war, als Neofaschisten ein Munitionsdepot auszurauben versuchten. Kurz bevor er nach Triest versetzt wurde. Einhundertvierzig politisch motivierte Attentate hatte es zwischen 1968 und 1974 gegeben, von Links- wie

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