Die Ruhe Des Staerkeren
neben einem der grauen Anzüge gesessen und in den Pausen länger mit ihm geredet. Tiberio Biason war ihm sogar sympathisch. Sie hatten gleich ein Gesprächsthema gefunden. Küche und Wein und daß die Europäische Kommission einen weiteren unverständlichen Beschluß gefaßt hatte, der es dem friulanischen Tokai untersagte, seinen Namen weiter zu führen. Die Ungarn hatten sich auch gegen die Franzosen durchgesetzt, während alle anderen Länder außerhalb der EU treiben konnten, was sie wollten. Wahrscheinlich würden jetzt auch die Chinesen ihren Tokai anbieten. Und gegen die Glera, einen alteingesessenen Weißwein des Karsts, die Muttertraube des Prosecco, klagte ein Unternehmer im Friaul, der den Namen vor einigen Jahren schützen ließ, obwohl er keinen Wein anbaute. Auch das berühmte Gestüt Lipizza bei Triest, auf der slowenischen Seite des Karsts, hatte solche Probleme, nachdem ein schlauer Österreicher den Namen für eine Torte schützen ließ. Moderne Raubzüge, demnächst beanspruchte wahrscheinlich auch noch jemand den Familiennamen Laurenti, dann müßte Proteo Lizenzgebühr zahlen.
Biason stammte aus dem Friaul, von einem Bauernhof bei dem kleinen Dorf Ruda, gleich hinter dem Triestiner Flughafen und in unmittelbarer Nachbarschaft des von Kennern gerühmten Restaurants Altran. Biason lebte seit zehn Jahren in der Hauptstadt, wo er als Koordinator für den Inlandsgeheimdienst Karriere im Ministerium machte, und kam nur noch im Urlaub oder an hohen Feiertagen nach Hause. Er hatte vor, am Abend nach der Abreise der Staatsgäste gleichseine Weihnachtsferien anzutreten und erst gar nicht mehr nach Rom zurückzukehren. Er freute sich schon auf sein Zimmer im Elternhaus und auf seine alten Freunde.
»Schade«, sagte Biason, »daß Sie gleich fahren, sonst hätten wir zusammen das Auto nehmen können.«
Laurenti lächelte, weil er es für freundlich hielt. Ihn zog es nach Hause. Eben erst hatten die Fernfahrer ihren Streik beendet, der unendliche Staus verursacht und zahlreiche Autobahntankstellen ohne Benzinversorgung gelassen hatte. Wer konnte sicher sein, daß sie gerade vor Weihnachten nicht noch einmal zuschlugen? Aber zwei Tage Rom waren sowieso genug. Das Haus des Kaiser Augustus war noch nicht wieder zur Besichtigung freigegeben, auch wenn der Geheimdienstler ihm sicher hätte Zugang verschaffen können, die Hektik in der Hauptstadt zu groß, ein Taxi ohnehin kaum zu bekommen und wenn, dann mußte er auf der Hut sein, daß er mit dem Tarif nicht übers Ohr gehauen wurde. Und außerdem war die Luft zu Hause besser. Er sehnte sich nach der Familie, dem Meer und der Ruhe in Triest, ganz abgesehen davon, daß vor den Feiertagen noch ein Haufen Arbeit zu erledigen war. Bis zum Vorabend des Staatsaktes gab es jede Menge Sitzungen, in denen man sich dann immer wieder versicherte, daß alle alles begriffen hätten und nichts schiefgehen dürfe. Man denke nur an das im Ausland ohnehin angeschlagene Image des Landes oder an die Schadenfreude der slowenischen Kollegen, falls ausgerechnet den Italienern eine Panne passierte. Es mußte alles exakt so ablaufen, wie es die Strategen im Innenministerium geplant hatten. Denn dies war die letzte der nicht enden wollenden Koordinationskonferenzen, der unzählige andere vorangegangen waren. In Italien, in Slowenien, mal auf nationaler Ebene, mal auf internationaler. Entscheidendes hatten selbst Beamte in gehobener Position wie Laurenti nicht dazu beitragen können, weil sie keinen Zugang zu dem Stab im Hintergrund hatten, der sich bei derpräzisen Planung offensichtlich nicht nur auf Satellitenauswertungen stützte.
»Ich muß nach Hause«, sagte Laurenti. »Meine Mutter kommt über die Festtage aus Salerno, meine Tochter, die in Neapel lebt, begleitet sie. Ich habe beide lange nicht gesehen. Und morgen muß ich den ganzen Kram hier nochmals in Triest referieren, obwohl alles längst feststeht.«
»Grauenhaft.« Biason verdrehte die Augen. »Was glauben Sie wohl, wie viele derartige Sitzungen ich bereits hinter mir habe. Aber die Planung ist stets perfekt. Darauf kann man sich verlassen. Und wir vom Inlandsdienst verfügen natürlich viel früher über Informationen, die Grund zur Besorgnis geben.«
»Schön für euch«, brummte Laurenti, der einen Unterton der Überlegenheit bei Biason herauszuhören meinte. »Wir hingegen haben oft genug das Gefühl, die letzten in der Informationskette zu sein, aber als erste reagieren zu müssen.«
»Ich fürchte, daran
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