Die Ruhe Des Staerkeren
eine dreiviertel Stunde, von diesem Kampf trug ich eine lange Narbe auf der Schulter davon, die mein Herrscher selbst vernähte und mir anschließend eine Penizillinspritze verabreichte.
Ich war der stärkste im Wurf, und obwohl ich nicht der größte war, bahnte ich mir den Weg zu den Zitzen mit mehr Durchsetzungswillen als die anderen. Immer wieder standen Menschen um den Verschlag und beobachteten uns. Sie hoben mich öfter empor und begutachteten mich mit anerkennenden Worten. Ich wuchs schnell, und im Spiel biß ich meine Geschwister einfach nieder. Nach sechs Wochen nahm man mich aus der Gemeinschaft heraus, kupierte mir Ohren und Rute fast ganz. Nach drei Monaten wurde ich weggegeben. Ab diesem Tag begann mein Training.
Mein neuer Herr sprach eine andere Sprache, und die Fahrt ins neue Zuhause dauerte viel länger, als ich die Blase halten konnte. Er schlug mich, als er die Pfütze auf dem Sitz entdeckte. Dann ging die Fahrt weiter durch nicht enden wollendes, verregnetes grünes Flachland, die einzigen Anstiege waren Deiche, auf denen Schafe grasten, und auf den Flurstücken darunter weideten Herden von schwarzweiß gefleckten Kühen. Irgendwann bogen wir zu einem entlegenen Gehöft ab. Als er mich schließlich aus dem Auto holte und an leeren Stallungen vorbei in einen Hinterhof führte, wechselte er das Halsband gegen eines mit Stacheln und Nieten aus und legte mich an eine viel zu schwere Kette. Eine kleine Hütte, in der ein paar Lappen lagen, die nach meinen Vorgängern rochen, wurde mein Obdach. Sechs solcher Hütten standen in weitem Abstand zueinander im Hof. Wir konnten uns nur beobachten. Noch war ich der Kleinste von allen, doch das änderte sich bald.
Eigenartige Leute kamen immer wieder zu meinem Herrn zu Besuch, sie fuhren dicke Autos mit breiten Reifen. Große, breitschultrige Männer mit Goldkettchen und schweren Armbanduhren, manchmal in Begleitung von überschminkten und blondierten, jungen Frauen in kniehohen Lackstiefeln, sehr kurzen Röcken und tiefen Dekolletés. Sie rauchten komisch riechende Zigaretten und schnieften weißes Pulver von den Kühlerhauben ihrer Fahrzeuge. Später wurde mir das gleiche Pulver in gelöster Form jedes Mal injiziert, bevor ich einen neuen Gegner serviert bekam. Sie begutachteten und prüften mein Angriffsverhalten und auch das der anderen. Einmal nahm einer dieser Typen seiner Begleiterin den weißen Pudel weg und ließ ihn laufen, dann machten sie mich los. Der weiße Wischmob kam nicht weit, ich verbiß mich in seinen Nacken und schüttelte ihn, bis er kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Die Blondine, mit offenem Mund und der straßbesetzten Hundeleine in der Hand, wandte sich mit wäßrigen Augen ab und verzog sich schließlich schmollend in ihr Auto. Die Männer lobten meine Schnelligkeit und klopften sich gegenseitig auf die Schulter. »Aus dem wird ein Champion«, sagte mein Herrscher stolz. »Schon jetzt ist er aggressiver als die anderen und blitzschnell. Hervorragender Stammbaum, dritte Generation einer Siegerserie, kein Schmerzempfinden und fulminant in der Attacke. Hat mich eine Stange Geld gekostet. Aber das spielt er bald wieder ein. Mit neun Monaten bekommt er seinen ersten Kampf. Tut mir leid um das Wollknäuel«, sagte er schließlich grinsend zu der jungen Frau. »Kriegst ’nen neuen.«
Eines Tages fuhren wir zum Kampf. Nur zwei Stunden vor dem Beginn meiner ersten Convention erhielt mein Herr die Ortsbeschreibung. Fünfundzwanzigminütige Überfahrt auf der Elbfähre von Wischhafen nach Glückstadt und weiter zu einem Windenergie-Park bei Brunsbüttel. Wir trafen kurz vor Mitternacht ein, ein Pit war ausgeleuchtet. Fünfzig Männer standen darum herum und kommentierten, was drinnen geschah und ich nicht sehen konnte. Bis zum Beginn meines Kampfes wurde ich in leichter Bewegung gehalten, massiert, in eine Kiste gesteckt, geschlagen, gereizt und aufgehetzt, und schließlich erhielt ich die Spritze, die mein Blut kochen ließ. Mein Gegner war ein Dobermann-Rüde, mit dem ich kurzen Prozeß machte. Er war mit meinen späteren Rivalen nicht zu vergleichen, deren Fell glänzte und die vor Muskeln strotzten. Das war ein verunsichertes Tier, das nicht hierhergehörte. Ein Dummy. Doch darum geht es nicht. Ich bin aufs Töten trainiert. Ich oder der andere.
Alles ist schwarz, die Nacht, der Sack über dem Kopf, die Wut, der Tod. Auch wenn der Kampf nicht unter gleichen geführt wird. Dementsprechend niedrig waren die Wetteinsätze. Aber mein
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