Die Ruhe Des Staerkeren
Sedem gehören.
»Übrigens Glückwunsch! Du hast einen guten Job gemacht. Aber wo ist eigentlich der Kaviarkoffer geblieben, von dem der Kommissar sprach?«
»Der hat den Zug bereits in San Donà verlassen. In Quarto d’Altino stieg ein Mann zu und weckte Manfredi, der so laut schnarchte, daß man selbst die Lautsprecherdurchsage nicht verstand. In den zwölf Minuten bis San Donà stritten sie heftig und scherten sich nicht im geringsten um mich, obwohl ich direkt hinter ihnen saß. Wahrscheinlich dachten sie, daß ein Priester ihnen sowieso nichts anhaben könnte. Es ging darum, daß Manfredi zwei Tage zu spät dran war. Der andere hatte ihn bereits am Sonntag erwartet und beschimpfte ihn als einen dummen, unzuverlässigen Spieler, den seine Leidenschaft für Hundekämpfe noch das Leben kosten werde.Manfredi hat offensichtlich in Serie verloren und mit jeder Niederlage seine Wetten erhöht.« Edvard, die Hände in den Hosentaschen, lehnte gelassen in der Tür. »Unglaublich, wieviel Idioten da draußen rumlaufen.«
»Hundekämpfe?« fragte Duke. »Die Kleine da, Sedems neue Freundin, wurde doch von einem Kampfhund gebissen.«
»Manfredi kann damit nichts zu tun haben. Er war in Ancona.«
»Und was passierte dann?«
»Die beiden schrien sich an wie die Besessenen. Gut, um die Zeit sind die Züge fast leer. Der andere – Manfredi nannte ihn nur ›Stronzo‹, keine Ahnung wie er wirklich heißt – schnauzte, es sei schon schwierig genug gewesen, die Ware am Zoll vorbeizuschmuggeln, seit das Einfuhrverbot besteht. Drei Wirte in Cortina d’Ampezzo hätten das Zeug gemeinsam geordert und wegen der Verspätung bereits zwei Tage Umsatz in den Wind streichen müssen. Ob Manfredi wohl glaube, die Schickeria löffle nun Koks statt Kaviar. Sie brauche beides.«
Dukes Blick war mitleidig. Er konnte Orte nicht ausstehen, an denen man viel Geld ausgab, nur damit man genau da gesehen wurde, wo bereits alle anderen waren. Das war nicht seine Sache. Nur einmal in letzter Zeit war ihm versagt gewesen, nein zu sagen. Er war nach Kitzbühel gefahren, um einen geldschwangeren fünfunddreißigjährigen Russen zu treffen, der zwischen Moskau und London pendelte. Duke fuhr sofort wieder ab, sobald sie sich auf eine effiziente Investitionsstrategie für die Zertifikate geeinigt hatten, die den Preis für die Weizensorte ›Soft Red Winter Wheat‹ an der Terminbörse von Chicago in einer Woche um neunundsechzig Prozent nach oben trieb. Duke kannte die Art von Leuten in diesen Orten, die mit Geld um sich warfen, das sie als hochdotierte Manager in Firmen einstrichen, die ihnennicht gehörten und die sie früher oder später mit einer satten Abfindung verlassen mußten. Meist nachdem sie vorher das Unternehmen in Schwierigkeiten gebracht, heftige Verluste eingefahren hatten und ihre Nachfolger als erstes Massenentlassungen einleiteten. Diese Herren bedingten sich gegenseitig, fast wie die Gläubigen einer Sekte, und die Orte, in denen sie ihre Ferien zusammen verbrachten, waren ihr Tempel. Für Dukes Geschmack benahmen sich diese Leute viel zu angeberisch und machten unnötig Lärm.
»Und warum hast du bis Triest gewartet?« fragte Duke schließlich.
»Es war ideal so. Hätte ich früher gehandelt, dann wäre auch ich gezwungen gewesen, den Zug zu verlassen. Sein Bild und seine Abdrücke sind sowieso in der Kartei der Bullen.«
»Du hast es ihnen leicht gemacht. Er hatte die Dokumente bei sich.«
»Das war das Ziel. Wie sonst sollten seine Auftraggeber so schnell davon erfahren?«
»Die toben mit Sicherheit. Ich bin nur noch darauf gespannt, ob sie bei ihrer Absicht bleiben und in der Kürze der Zeit noch einen Ersatz für diesen Manfredi auftreiben. Wenn ich sie richtig einschätze, sind sie jetzt erst recht am Ende. Am Samstag werden wir es wissen.«
»Keine Sorge, solange ich dabei bin, passiert dir nichts«, sagte Edvard und grinste diabolisch.
*
»Denken Sie immer daran, Pina«, sagte Duke, »um so intensiver man ein Stück hört, desto tiefer dringt man in die Seele des Musikers ein. Von den ›Sunbear Concerts‹ von Keith Jarrett zum Beispiel, die Sie gerade im Hintergrund hören, kenne ich jede Note. ›Think of your ears as eyes‹, sagte Jarrett. Benutze deine Ohren wie Augen.«
Sie saßen alle zusammen beim Abendessen, wobei Großmutter Sonjamaria wie am Vorabend unter dem Bild von Fernand Léger saß und Duke ihr gegenüber am anderen Ende der langen Tafel, die Platz für dreimal soviel Personen
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