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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Vater im Kugelhagel. Das war während der Fehde von Motticella.« Pina hatte seit Jahren nicht darüber geredet. »Es war eine Abrechnung zwischen zwei Clans der ’Ndrangheta. Du weißt doch, daß ich aus Kalabrien komme. Der Ort, in dem ich geboren wurde, heißt Africò, hat ein bißchen mehr als dreitausend Einwohner und liegt ganz unten, auf der Spitze des Stiefels, an der Costa dei Gelsomini, der Jasminküste. In diesen Orten gibt es immer einen lokalen Boß, der seinen Clan lenkt und oft in harter Konkurrenz zu anderen steht. In unserem Ort gab es zwei Clans, deren Machtkämpfe und Abrechnungen im Laufe des Jahres 1983 über fünfzig Menschen das Leben gekostet haben. Mein Vater gehörte dazu.«
    »War er einer der Bosse?«
    »Nein, mein Vater war Polizist und arrangierte sich, so gut es ging.« Pina lachte über die Frage, doch dann räusperte siesich, und ihr Tonfall wurde wieder ernst. »Er geriet bei Buzzano Zeffirio in einen Hinterhalt, einem kleinen Dorf im Landesinneren, das auf dem Weg nach Motticella liegt, nach dem die Fehde benannt ist. Sie haben ihn regelrecht durchsiebt. Ihn und zwei Kollegen. Der Mord an meinem Vater ist bis heute nicht aufgeklärt.«
    »Und die Bosse sind immer noch die gleichen?«
    »Nein, danach übernahm Giuseppe Morabito das Ruder, ›Tiradrittù‹ genannt. Einer, der keinen Schuß verfehlt. Unter seiner Führung legte sich der Zwist zwischen den Familien, was allerdings nicht bedeutet, daß es damit weniger Verbrechen gab. Ganz im Gegenteil. Morabito stieg zu einem der meistgesuchten Ganoven des Landes auf, seine Familie erkämpfte sich eine starke Position im Drogenhandel mit Kolumbien, Peru und Argentinien, vermutlich ist sie heute noch mit von der Partie. Und vor allem hat er sofort den Kontakt mit der neuen Balkan-Mafia und den chinesischen Triaden gesucht und damit noch größere Geschäfte gemacht. Diese wären ohne die Hilfe der etablierten Clans kaum so schnell zum Zug gekommen. Die Zusammenarbeit ist äußerst erfolgreich und die ’Ndrangheta hat sich inzwischen in ganz Europa breitgemacht, in Deutschland zum Beispiel sind sie geradezu zu Hause und haben beste Kontakte in die obersten Etagen. Morabito wurde vor drei Jahren geschnappt, wahrscheinlich hatte er mehr Gewicht als Provenzano, der letzte Pate auf Sizilien. Aber inzwischen arbeiten Cosa Nostra und ’Ndrangheta auf manchen Gebieten sogar zusammen.«
    »Sechs Jahre alt warst du?« Sedem strich durch ihr Haar und nahm Pina in den Arm. »Erzähl weiter.«
    »Meine Mutter ist Apothekerin. Ich wuchs eigentlich vorwiegend bei meinen Großeltern auf. Wo ich groß wurde, hatte man keine Wahl. Entweder du ordnest dich unter, oder du gehst weg, wenn du an deinem Leben hängst. Aber um wegzugehen, braucht man Geld oder einen Beruf. Deshalbwurde ich Polizistin. Heute würde ich gerne zurück in den Süden gehen. In meinem Beruf ist es dort spannender, und man wird dringender gebraucht als in Städten wie Triest, wo es in den letzten sechzig Jahren offiziell gerade mal dreizehn unaufgeklärte Mordfälle gab. Wenn alles gutgeht, klappt es mit der nächsten Beförderung. Am liebsten nach Reggio Calabria, nicht aufs flache Land. Und vielleicht gelingt es mir eines Tages sogar, die Mörder meines Vaters zu verhaften.«
    »Ich hoffe, das mit der Versetzung läßt noch ein bißchen auf sich warten«, sagte Sedem. »Du würdest mir fehlen. Aber ich kann mich ja jederzeit ins Flugzeug stzen und dich besuchen.«
    »Du brauchst dann auch kein Visum mehr, wenn die Grenze fällt.« Pina beobachtete Sedem genau. Sie wollte sich keine seiner Reaktionen entgehen lassen.
    »Visum?« fragte Sedem erstaunt.
    »Du bist doch amerikanischer Staatsbürger, oder nicht?«
    »Hast du mich überprüft?«
    »Nein. Zufällig erfahren.«
    »Meine Aufenthaltsgenehmigung gilt für ganz Europa. Da gibt es keine Probleme. Mein Vater hat auch keinen slowenischen Paß. Er ist Amerikaner geworden, nachdem ihn sein leiblicher Vater anerkannt hatte. Allerdings war das für Duke nicht unbedingt ein Vorteil, denn 1969 wurde er eingezogen und nach Vietnam in den Krieg geschickt. Er redet nicht viel darüber, doch Großmutter sagt, daß er seit damals ständig diese Handschuhe trägt. Aber lassen wir das. Auf jeden Fall gefällt mir eine Sache ganz besonders an unserer Begegnung.« Sedem strahlte sie an. »Du wurdest Polizistin, weil du an die Gerechtigkeit glaubst. Du bist Idealistin und legst dich dafür ins Zeug. Und genau das tu ich auch mit ›Sedem

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