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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Ich wende mich mit Kopf und Hals von ihm ab. Seine Kiefer werden aufgehebelt, ich in die Ecke zurückgeführt und sofort wieder losgelassen. Dieses Mal gelange ich an seine Brust und treibe meine Zähne tief in sein Fleisch. Er bäumt sich auf und jault. Atypisch für einen Kämpfer, denn das Schmerzempfinden wird uns als erstes abtrainiert, und die Drogen überwinden den Rest. Dann aber besinnt er sich, findet auf die Hinterbeine und zwingt mich zu Boden. Ich lasse nicht locker. Er erwischt mein Vorderbein, krachend splittert der Knochen. Das Gebrüll der Umstehenden wird immer lauter. Dann werden wir wieder getrennt. Karol trägt mich zur Ecke zurück, wäscht mich mit dem Schwamm. Wieder ruft der Referee »fifty seconds«, und wieder werde ich zum Pit gedreht. Mein Bein ist gebrochen, auf drei Pfoten überquere ich die Scratch-line, der andere stürzt los, ich erwische seine Schnauze. Und diesmal entkommt er mir nicht mehr. Ich reiße und schüttle ihn, ohne daß er mich zu fassen bekommt. Er versucht mich zurückzudrängen, er schiebt und richtet sich auf, dann komme ich mit einem Ruck frei und setze sofort nach. Doch er ist kein leichter Gegner, seine Nase ist zerfetzt, die Haut seines Unterkiefers hängt wie ein Lappen bis zur Kehle, der Knochen liegt frei, Blut fließt aus seinem Maul und aus seiner Brust. Wir verbeißen uns in den Schultern, wir sind blockiert, kein Schritt geht voran oder zurück. Und wieder werden wir durch den Breaking-Stick getrennt. New turn. Die Scratchs werden jetzt kürzer. Zwei Stunden sind vergangen, ich verliere an Kraft, mit dem gebrochenen Bein kann ich ihn nicht niederringen. Aber der Weiße ist extrem kurzatmig. Trotzdem geht es weiter. Als ich noch einmal gewaschen werde, ruft der Promoter dem Publikum zu, daß die Wettsumme inzwischen achthundertsiebenundsiebzig Tausend Euro beträgt. Alle wissen, der Kampf geht dem Ende zu.
    Der nächste Scratch ist meiner. Ich erwische den Weißen sofort an der Kehle. Er strampelt und zappelt. Mein Biß geht tief und ich rüttle, so fest ich kann, bis ich keine Gegenwehr mehr spüre. Der Weiße lebt noch, aber er bewegt sich nicht mehr. Sein Atem ist flach, sein Blick geht ins Leere.
    Zehn Minuten stehe ich über ihm. Ich weiche keinen Schritt.
    Endlich kommt mein Herrscher und trägt mich in die Ecke, dann hebt er beide Arme und triumphiert.
    Das Publikum grölt. Flaschen fliegen. Irgendwo beginnt eine heftige Schlägerei, um die sich ein neuer Kreis bildet. Andere kommen herunter zum Pit und schauen dem Weißen nach, der von seinem Herrn weggetragen und wütend in den Kofferraum eines japanischen Geländewagens geworfen wird. »Das ist gegen die Regeln«, brüllt er. »Er hat nicht innerhalb der vorgeschriebenen zehn Sekunden angegriffen. Ich will mein Geld!« Ringsum herrscht Geschrei. Glas splittert.
    Unter dem weißen Licht des Halogenscheinwerfers nimmt der Buchmacher die Quittungen entgegen und zahlt aus. Dann steckt er dicke Geldbündel in seine Aktentasche. Die fünf breitschultrigen Männer begleiten ihn zu einem Auto, drei fahren mit ihm weg. Die anderen beiden kommen zu Karol und mir, er hat mich in das Frottéhandtuch gepackt und trägt mich zum Wagen. Er legt mich auf den Rücksitz und schließt die Tür. Dann geht er wieder weg. Ich höre laute Stimmen. Gebrüll, dann die Detonation von vier Schüssen. Karol und Domenico knallen die Wagentüren hinter sich zu und fahren mit durchdrehenden Rädern los. Noch ein Schuß, Glas splittert. Der Kopf Karols auf dem Beifahrersitz schlägt gegen die Nackenstütze, Blut spritzt über die Sitze und die Scheiben. Domenico wischt es sich aus dem Gesicht und jagt mit Vollgas über den Schotterweg zur Straße. Als er den Asphalt erreicht, quietschen die Reifen, in den Kurven werde ich hin- und hergeworfen. Ein paar Augenblicke später bremst er hart und biegt in einen Waldweg ein, springt aus dem Auto, reißt die Tür neben Karol auf und zieht ihn aus dem Wagen heraus und ein paar Meter in ein Gebüsch hinein. Er rennt zum Kofferraum, ein kalter Wind läßt mich zittern, mit einem Kanister in der Hand läuft Domenico wieder in den Wald. Es riecht nach Benzin, dann wird es plötzlich sehr hell. Feuer! Mühsam hebe ich den Kopf, doch Domenico kommt schon zurück, springt in den Wagen, wirft ein dickes Bündel Banknoten auf den Beifahrersitz und startet. Mit hoher Geschwindigkeit rasen wir davon. Domenico schaut alle paar Sekunden in den Rückspiegel, er spricht mit sich selbst und verzieht

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