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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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deutlich herüberschallten. Als die Anfangstakte von Beethovens »Ode an die Freude« erklangen und die ersten Raketen des Feuerwerks detonierten, rannte Dean gebückt zum Wohnwagen hinunter. Er bemühte sich erst gar nicht, ihn zu öffnen, dort hätten die Polizisten das Paket längst gefunden und konfisziert. Einmal hatte er Manfredi dabei beobachtet, wie er einen wasserdichten Behälter in der Kloake versenkte. Dean fand eine Schaufel und stocherte angewidert in der Jauche herum, bis er auf einen schweren Gegenstand traf und ihn umständlich an die Oberfläche beförderte. Es stank bestialisch. Er riß die äußere Schutzhülle ab und stopfte das Paket in einen billigen Rucksack. Es ging alles so einfach.
    Als das Feuerwerk unter dem lauten Jubel des Volkes seinen Höhepunkt erreichte, kraxelte er schon wieder den Abhang hinauf. Der Fall der Grenze war unter erlöschendenblau-weiß-roten, rot-weiß-grünen und blau-gelben Lichtpilzen im schwarzen Nachthimmel vollzogen worden. Keuchend erreichte er wieder den oberen Rand der Doline und streifte die Maske ab. In der Nähe der Conca d’Orle verlangsamte er seinen Schritt und näherte sich dem Abgrund, über dem nun ein Halogenscheinwerfer eine Kampffläche ausleuchtete, auf der zwei Hunde aufeinander losgelassen wurden. Dean wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht, der in seinen Augen brannte, und sah die Tafel, die den Stand der Wetten verzeichnete. Er war beeindruckt. Und er entdeckte Karol und Domenico in der einen Ecke des Pits, die gebannt den kämpfenden Köter beobachteten, für den sie bei ihm am vergangenen Sonntag die Aufputschmittel und das andere Zeug teuer erstanden hatten. Dean staunte über den Ort der Convention. Er war klug gewählt, in seiner Mitte verlief die Grenze zweier Länder, und das Geschrei des Publikums ging im Lärm der Party in Fernetti unter. Doch Dean hatte es eilig. Er mußte die Ware in Sicherheit bringen. Mario, sein Verbindungsmann aus Izola, würde bereits am frühen Morgen kommen, um sie abzuholen. Ein anderer als Manfredi würde damit in Triest für weiße Weihnachten sorgen.
     
    *
     
    Um halb drei gingen Proteo und seine Frau zum Wagen, den er im Niemandsland abgestellt hatte. Sie waren müde vom Tanzen und gut gelaunt. Galvano hatte sich schon früh angeboten, Großmutter Immacolata nach Hause zu fahren. Und auch Patrizia, die über schreckliches Sodbrennen klagte, was Laura als typisches Schwangerschaftssymptom bezeichnete. Marco hingegen – die Hand mit dem Joint hinter dem Rücken haltend – kündigte an, Livia und er würden mit Freunden weiterziehen.
    Gerade als Laurenti den Wagen aufschloß, hörte er lautesGehupe, entsetzte Schreie und dann einen Motor aufheulen. Er fuhr herum, sah, wie sich Leute um einen Körper am Boden scharten und ein schwarzer Mercedes-Kombi mit deutschem Kennzeichen und zersplitterter Seitenscheibe mit Vollgas auf die slowenische Autobahn raste. Die Leute schrien entsetzt hinter ihm her.
    »Der begeht Fahrerflucht, Laura, schnell«, rief Laurenti, sprang in seinen Dienstwagen und startete mit quietschenden Reifen, noch bevor seine Frau die Wagentür geschlossen hatte. Er stellte das Blaulicht aufs Dach und schaltete die Sirene ein.
    »Du bist nicht im Dienst, Proteo, und du bist auf der falschen Seite der Grenze«, rief Laura und schnallte sich hastig an.
    Laurenti reichte ihr sein Mobiltelefon. »Los, ruf an. Unter R wie Rožman.« Er hatte die Nummer seines slowenischen Kollegen am Nachmittag gespeichert. »Die sollen die Autobahn dichtmachen.«
    Sie donnerten mit Vollgas durch den Tunnel von Sežana, und als sie auf der anderen Seite das Tal bei Dane hinunterschossen und fünf Autos überholten, stand die Tachonadel des Alfa Romeo jenseits von Zweihundertvierzig. Die Rücklichter des Mercedes rückten stetig näher.
    Es dauerte, bis Rožman am Apparat war. Ein Wagen sei unterwegs, rief er Laura zu, und ein Streifenwagen war zufällig an der Raststätte Povir postiert. Laurenti solle nichts riskieren.
    »Denk an unser Leben, Bulle«, zischte Laura. »Du wirst Großvater.«
    An der Mautstelle bremste der Mercedes ab, der Fahrer zog das Ticket und startete in dem Moment durch, als Laurenti ebenfalls hielt. Einen kurzen Moment lang hatte er erwogen, die Schranke zu durchbrechen. Nur der Gedanke an die vielen Formulare, die er ausfüllen, und die Berichte, die er schreiben müßte, um der grenzüberschreitenden Bürokratiegerecht zu werden, ließ ihn bremsen. Und die Tatsache, daß er mit

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