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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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dabei das Gesicht. Irgendwann verlangsamt er die Fahrt. Ich verliere das Bewußtsein.

Im Niemandsland
    Es war seit Jahren das erste Mal, daß Galvano sich ohne seinen alten schwarzen Hund in der Öffentlichkeit zeigte. Laurenti traf ihn zufällig am Glühweinstand, wo er mit seiner Familie verabredet war. Er staunte, daß der alte Mann sich ganz alleine auf den Weg gemacht hatte.
    »Was machst du denn hier?« fragte der Commissario und reichte ihm einen Plastikbecher mit dem dampfenden Getränk.
    »Ich war damals dabei, als die Grenze gezogen wurde, und da ich immer noch am Leben bin, will ich auch dabei sein, wenn sie wieder fällt. So einfach ist das, Laurenti. Vier große Umbrüche, seit ich damals als junger Gerichtsmediziner mit den Alliierten hergekommen bin. Und jetzt tun plötzlich alle so, als wären sie Brüder und der nationale Wahn die Erfindung eines einzelgängerischen Geisteskranken.«
    Laurenti zog ihn zur Seite. »Ich will dich meiner Mutter vorstellen, Galvano. Sie hat deine Geschichten noch nicht gehört.«
    »Aber deine Mutter kenn ich doch«, empörte sich Galvano.
    Marco und Livia verdrückten sich, als sie den Alten sahen, und Laura schob Großmutter Immacolata vor, die sofort auf ihn einredete.
    »Das ist aber schön, daß Sie Weihnachten mit uns verbringen«, strahlte Laurentis Mutter. »Proteo hat mich gebeten, ein salernitanisches Gericht zuzubereiten. Er liebt gefüllte Milz über alles.«
    »Schade, daß Galvano nicht mehr im Dienst ist«, unterbrach Laurenti sie. »Sonst könnte er dir eine aus der Pathologie mitbringen, ganz umsonst.« Dann nahm er den beidendas Versprechen ab, daß sie sich nicht aus den Augen lassen würden, und machte sich mit Laura davon zu dem Platz, auf dem die Leute fröhlich tanzten.
     
    *
     
    Als er am frühen Vormittag auf den Feldweg einbog, der zur Doline führte, in der Manfredis Wohnwagen stand, sah er plötzlich zwei Männer. Er bremste scharf und haute fluchend den Rückwartsgang rein, bevor sie ihn ausmachen konnten. Sie hatten soeben das Behördensiegel am Gatter geöffnet und verschwanden mit ihrem Auto auf dem Grundstück. Dean parkte ein paar hundert Meter weiter auf der Landstraße, die nach Opicina führte, und schlug sich zu Fuß durchs Gestrüpp. Aufmerksam vermied er, auf morsche Äste zu treten. Als sie endlich im Blickfeld waren, suchte er Schutz hinter einem grauverwitterten Kalksteinblock und beobachtete ihr Tun. Sie hantierten mit drahtlosen Überwachungskameras und fixierten deren Einstellung dank eines Monitors im Kofferraum ihres Wagens. Er zog sich rasch zurück, bevor sie die letzte einrichteten, die das Feld in seine Richtung erfaßte.
    Dean änderte seine Strategie. Wenn es eine Chance gab, an die Ware zu kommen, dann erst nach Einbruch der Dunkelheit. Dieser Abend war trotz des zunehmenden Mondes ideal, die Riesenparty und das Feuerwerk am Grenzübergang sorgten für den nötigen Schutz.
    Um 23.30 Uhr bog er in der Ortsmitte von Sežana links ab und folgte dem engen Sträßchen nach Orlek, einer kleinen Ansiedlung, die noch knapp auf slowenischem Territorium lag. Am Dorfrand verließ er seinen Wagen und folgte zu Fuß dem Bahngleis über die Grenze. Irritiert stellte er fest, daß an der Conca d’Orle eine Menge dicker Autos mit Kennzeichen aus vielen europäischen Ländern einen Kreis ausleuchteten und gut hundert Personen wie auf einer Tribüne am Randedes Abhangs standen. Hundekämpfe? Fand hier etwa die Convention statt, deren Ort ihm seine Kunden neulich verschwiegen hatten? Er hörte die rauhe Stimme eines Mannes, der zum Wetten aufforderte. Doch Dean mußte weiter. Das Gelände wurde unwegsam, die spitzen, verwitterten Kalksteine verlangten seine ganze Aufmerksamkeit, damit er nicht stürzte, und manchmal mußte er ein paar Meter zurück, weil undurchdringliches Gebüsch seinen Weg versperrte. Er war zu dick für solche Unternehmungen und schwitzte stark, er dachte daran, daß er dringend abnehmen müßte, doch er schaffte es wie geplant. Kurz vor Mitternacht war er am Platz, stülpte die schwarze Sturmhaube über den Kopf und zog die dunkelblauen Spülhandschuhe mit den langen Stulpen über. Dann suchte er mit dem Nachtsichtgerät, einem Relikt aus seiner Dienstzeit beim jugoslawischen Geheimdienst UDBA, das Gelände ab. Am gegenüberliegenden Rand der Doline zeichnete sich die Silhouette zweier dunkelgekleideter Männer ab, die zu Fuß Richtung Fernetti gingen, von wo die lautsprecherverstärkten Reden und Musik

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