Die Ruhe Des Staerkeren
ist wirklich ein starkes Stück!«
Sein Blick hing an den Telefonnummern in Triest und dem Umland, die Marietta blau markiert hatte. Viele dieser Leute kannte er persönlich, mit manchen war er befreundet, von den anderen wußte er ausnahmslos, wer sie waren. »Na denn, weiße Weihnachten, Triest. Da ist die halbe High-Society darunter, von links bis rechts.«
»Wenn er sein Geld als Pusher verdiente, dann hatte er eine solide Kundschaft. Laß dir die Namen auf der Zunge zergehen«, jubelte Marietta.
»Und ich dachte immer, es läge an der Jahreszeit, daß sie ständig schniefen. Schließ die Liste weg. Wenn überhaupt, dann ist das Arbeit fürs nächste Jahr.«
»Was ist aber, wenn jemand aus diesem Kreis Manfredi auf dem Gewissen hat?« Pina war diese Gelassenheit fremd.
»Dann ist es erst recht Arbeit fürs nächste Jahr«, belehrte Laurenti sie. »Echter Kundenservice. Wenn ich diese Leute vor den Feiertagen befrage, gibt’s Stunk. Von denen haut keiner ab, keine Sorge, höchstens für ein paar Tage nach Cortina d’Ampezzo, aber nach Dreikönig sind alle wieder hier. Ich kann mein Ansehen wahren, und wir können in der Zwischenzeit weitere Fakten ansammeln, um es anständig krachen zu lassen.«
»Eine diskrete Anfrage bei den Kollegen in Mailand habe ich auf jeden Fall veranlaßt«, sagte Marietta und legte die Liste in eine Mappe. »Übrigens hat eine Journalistin vom Piccolo angerufen und um ein Interview gebeten. Sie will einen Fotografen schicken. Das gleiche erhofft sich auch ein Reporter von der RAI für die Fernsehnachrichten.«
»Wimmel sie ab«, sagte Laurenti, »Vertröste sie auf die Tage nach der Zeremonie in Rabuiese. Sag, daß ich im Einsatz bin, oder schick sie zum Questore. Der Chef saß gestern Abend zu Hause auf dem Sofa und weiß somit bestens Bescheid. Und ich will bitte noch einen Espresso, niemand macht ihn besser als du. Ich spreche mit dem Staatsanwalt wegen eines Rechtshilfeersuchens zur Auslieferung dieses Calamizzi. Rožman wird es recht sein. Wenn er den Kerl los wird, hat er weniger zu tun. Und dann will ich mir den Platz selbst ansehen, wo diese verkohlte Leiche gefunden wurde.«
»Ich fahre mit«, sagte Pina, »besser, wenn auch ich mir den Ort noch einmal bei Tag anschaue. Die Obduktion läuft noch, obwohl eines bereits klar ist: Der Mann wurde erschossen, bevor man ihn anzündete. Dottor Zerial spricht von einem eindeutigen Geschoßeintritt oberhalb des rechten Jochbeins, die Kugel hat bei ihrem Austritt den halben Hinterkopf abgesprengt.«
Um neun Uhr dreißig fuhr Laurenti seinen Dienstwagen bei der Straßenmeisterei auf einen kleinen Weg, der zum Stari Kal führte, dem Teich von Banne. Nach einer leichtenKurve hielt er an. Er hätte den Ort auch ohne Pina gefunden, denn er war großräumig mit einem Plastikband abgesperrt, hinter dem die Kollegen von der Spurensicherung in ihren fusselfreien weißen Overalls und Kapuzen jeden Quadratzentimeter unter die Lupe nahmen. Sie hatten nur wenige Stellen mit numerierten Täfelchen versehen. Ein dunkler Fleck von über zwei Metern Durchmesser trug die Nummer eins, dort waren Gras und Äste verbrannt und die Umrisse des Körpers mit Kreidestrichen markiert worden. Laurenti machte keine Anstalten, über die Absperrung zu steigen. Er schaute sich um. Ganz in der Nähe lag die Doline mit Manfredis Wohnwagen. Ein Feldweg führte in Richtung Grenze, doch wies er keine Fahrspuren auf, und das flammendrote Laub der Büsche ragte viel zu weit herein, als daß jemand durchgefahren sein konnte. Näher an der Landstraße schimmerte der Giebel der Scuola Julius Kugy durch die fast kahlen Bäume.
»Es sieht so aus, als hätte man ihn hier ausgeladen und mit Benzin überschüttet«, sagte Alfieri, der Chef der Kriminaltechniker. Er klatschte in die Hände und rieb sie heftig. »Auch wenn es noch ein milder Winter ist, nach drei Stunden friert man doch, wenn die Sonne nicht durchkommt. Wir sind seit dem ersten Tageslicht hier.« Eine monotone Wolkenschicht hüllte den Tag in mattes Grau, als nehme der Himmel Rücksicht auf alle, die bis in die frühen Morgenstunden getanzt und getrunken hatten.
»Ortskundig war derjenige nicht, der das getan hat«, sagte Laurenti, »sonst wäre er weiter reingefahren, um den Körper irgendwo dahinten zu entsorgen, wo ihn für Wochen niemand gefunden hätte. Also hatte er es eilig, wurde vielleicht verfolgt und hielt erst an, als der Abstand groß genug war.«
»Vor einer halben Stunde kamen ein paar Leute
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