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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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untergegangen und die Habsburger sind es auch. Wahrscheinlich hat sein Hund die Rede geschrieben.«
    »Ich bin sowieso der Meinung, daß es sich bei der EU-Erweiterung um eine österreichische Verschwörung handelt«, flüsterte Laurenti.
    Galvano lachte so laut auf, daß sich einige der wichtigen Menschen nach ihm umdrehten. »Du meinst wohl, weil jetzt fast alles wieder zusammen ist, was sie 1918 verloren hatten?«
    Die linke Hälfte der Bühne nahm das slowenische Polizeimusikkorps ein, die rechte das Orchester der italienischen Polizei. Natürlich wurden alle drei Hymnen angestimmt sowie Auszüge aus dem »Wilhelm Tell« von Rossini, »Bela Krajina« von Marjan Kozina und der Triumphmarsch aus Verdis »Aida«, dann folgten zwei junge Musiker, die zu Ehren der Portugiesen einen Fado auf italienisch-slowenische Weise präsentierten.
    »Oh yes, we have finished. Thanks God that we have finished, because we worked a lot.«
    Duke lachte erheitert auf. Die Rede des portugiesischen Premiers José Sócrates war als einzige unterhaltsam. Hier sollte er die Ratspräsidentschaft, die er ein halbes Jahr lang turnusgemäß innehatte, an seinen Nachfolger übergeben, den slowenischen Ministerpräsidenten Janez Janša. In seinem holprigen Englisch machte der Portugiese der Erleichterung auf sympathische Weise Luft. Er sei heilfroh, den Erweiterungsprozeß, der ihn viel Arbeit gekostet habe, überstanden zu haben.
    Draußen dunkelte es bereits, als dann auch José Manuel Barroso in seiner Rede an die Ideale und Werte der EU erinnerte. Er sei der Überzeugung, daß ab sofort die Beziehungenzwischen Nachbarländern wachsen würden, alle könnten leichter reisen sowie die neuen ökonomischen Möglichkeiten nutzen und damit neues Wachstum und Fortschritt schaffen. Langer Beifall. Europa war bescheiden geworden.
    Die Rede des slowenischen Premiers war konkreter. »Heute ist nicht nur eine physische Grenze gefallen«, sagte Janša. »Bis vor zwanzig Jahren noch schossen und töteten Soldaten des damaligen Jugoslawien entlang dieser Linie auf diejenigen, die in Richtung Freiheit und Demokratie fliehen wollten.«
    Galvano faßte sich an die Stirn und brabbelte so laut los, daß sich die Menschen wieder nach ihm umdrehten. »Der spinnt! Es gab keinen Schießbefehl an der jugoslawischen Grenze.«
    Laurenti bedeutete ihm zu schweigen.
    »Aber wenn ich es dir sage«, flüsterte Galvano. »Es wird sogar gemunkelt, daß dieser Mann in den Neunzigern in den Waffenschmuggel in Bürgerkriegsgebiete verwickelt war. Und zwar mit dem Wissen der westlichen Geheimdienste.«
    Laurenti entfernte sich ein paar Schritte, damit er die Rede nicht verpaßte.
    »Und jeder galt als verdächtig, der ein Buch in der Tasche hatte, das demokratische Verhältnisse forderte oder das ehemalige Regime Jugoslawiens kritisierte. Und auch wer einen Computer mit sich führte. Junge Leute können sich das heute nicht mehr vorstellen. Jetzt ist der Moment eines Lebens ohne Grenzen gekommen, in dem die slowenische Bevölkerung in Italien und die italienische in Slowenien nicht mehr von ihren Vaterländern getrennt sind. Der Erweiterungsprozeß ist noch nicht abgeschlossen. Die EU wird ihre Grenzen weiter ausdehnen, und wir werden hart daran arbeiten, daß Kroatien so bald wie möglich Teil der Union sein kann. Es gibt viele Gründe, weshalb man vom heutigen als einem besonderen Tag sprechen muß, doch seine wahre Bedeutungwird man erst in der Zukunft erkennen. Das ist keine Grenze mehr, sondern eine Linie offener Herzen und freier Geister.«
    Kurz bevor Janša seine flammende Rede abschloß, näherte sich raschen Schrittes ein Mann der ersten Reihe der Gäste aus der Welt der Wirtschaft und steuerte direkt auf Duke zu. Laurenti verfolgte jede seiner Bewegungen, ging ein paar Meter nach vorne und hatte bereits die Hand an der Waffe, als der Mann Duke ein Zeichen gab und dieser sich erhob. Duke strebte unverzüglich zum Ausgang. Laurenti folgte und informierte Biason über Funk, daß das Schutzobjekt den Festsaal vor der Zeit verließ.
    Was ging hier vor? Zu gerne wäre Galvano ihnen gefolgt, doch dann hätte man ihn nicht mehr bei der Zeremonie gesehen.
     
    *
     
    Es war bereits dunkel, als Sedem und Pina auf dem Rückweg noch einmal aufgehalten wurden. Nur zehn Autos waren vor ihnen, als die endlich freie Durchfahrt abgeriegelt wurde. Ein Feuerwerk verkündete das Ende der letzten Zeremonie des erweiterten Europas, und aus dem Festzelt im Niemandsland strömten die

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