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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
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Sie hatten eine Menge Spaß.
    Und wenn sie eine Saison lang nicht beieinander sein konnten, schrieb ihr Abel lange Briefe, um so den Alltag mit ihr zu teilen. Er erfand für sie spezielle Kosenamen. Amimour. Oder Liebli. Und er schrieb, ohne sich zu schämen und ohne Zurückhaltung, er verschwendete sich an sie in diesen Briefen wie ein Meer, das Begrenzung einfach nicht anerkennt.
     
    4.   6.   44, Luzern. Bonjour, m’Amimour, ich liebe Dich, weißt Du es noch? Aber ja, mein Amimour, ich vergöttere Dich. Gestern habe ich während zwanzig Minuten versucht, Bern zu erreichen am Telefon, aber da war nichts zu machen, alle Linien waren besetzt! Das war verrückt, es hat mich so enerviert,
dass ich darob Kopfschmerzen bekommen habe! Ich hoffe, dass ich heute Abend mehr Glück haben werde. Stell Dir vor, man hat mir gestern eine Violine in die Hände gedrückt, damit ich auf ihr ein Stück spiele, eine neue, superbe Violine, eine ganz phantastische Sache, denk nur … ich habe nur ein Stück darauf spielen können, dann musste ich aufhören, weil sie viel zu schön war, viel zu phantastisch für dieses einfache Café, eine einzige Violine mit dem Klang von zehn! Sie kostet 7000.00 Franken oder 4000.00 Franken, wenn ich dafür die meine hergebe. Also, wenn ich im Lotto oder Sporttoto gewinne, werde ich sie mir kaufen, damit ich darauf Konzerte geben kann … ICH LIEBE DICH! Dittli hat mir den Kontrakt überreicht für den 1. Oktober, er will, dass wir ihm mitteilen, ob wir das Engagement annehmen oder nicht. Der Club in Zürich heißt »Tartarin« und gehört momentan zu den angesagtesten Clubs, in denen wir spielen können. Ich werde mir einen Frack anfertigen lassen müssen, es ist wichtig, dass wir alle ganz, ganz elegant sind! Natürlich wirst auch Du ganz elegant sein müssen, von Kopf bis Fuß werde ich Dich neu einkleiden, mein Liebli, und Du wirst sehen, wie viel Spaß das macht! Ich werde jetzt noch etwas üben, denn später spiele ich wieder für eine Stunde. Voilà, mein Amimour, sonst gibt es nichts Neues. Ich habe sehr gut geschlafen letzte Nacht und Du, mein Amimour? Adieu, mein Liebli, Schatzi, bis bald wieder in Bern. Erwarte eine Million Küsse von mir. Ich liebe Dich, Chérie, ich liebe Dich mehr als alles, ich bewundere Dich, Dein Abel.
     
    17.   6.   1944, Montag, drei Uhr früh. Bonjour, m’Amimour. Nur ein paar Worte, denn es ist schon sehr spät. Ich bin heute gegen Mittag aufgestanden und gleich nach dem Frühstück bin ich zum Zahnarzt gegangen, von wo ich erst nach zweieinhalb Stunden wieder wegkam! Ich hatte mehr als siebzehn Bohrungen …
    Du bist es, die ich liebe, es ist verrückt! Ich habe von Dir einen Liebesbrief erhalten, Chérie, der mir so viel Freude bereitet hat! Ich werde darauf heute Abend antworten, nach dem Abendessen.
    Eine Sache hat mich sehr bewegt, das ist, dass Du die Gelegenheit gefunden hast, Deinem Vater zu sagen, dass wir heiraten werden. Nun werden wir ja sehen, was kommt. Nun muss ich Dir noch eine Ankündigung machen. Wir haben gestern mit dem Patron gesprochen, und er will, dass wir hier bleiben bis Ende Juni, ja bis Juli sogar, da er im August das Orchester auswechseln will. Allerdings kommen wir ab 1. September wieder hierher zurück!! Für eine neue Saison!! Demnach können wir nun für ein Jahr ganz ruhig sein. Zudem meint er, ich könnte im August auf dem Bürgenstock spielen, Du weißt doch, wo das ist? Du siehst, alles läuft formidable, nur dass Du mir fehlst, mein Liebli. Vielleicht schaffst Du es ja, nach Luzern zu kommen, ein bisschen Ferien zu machen? Das würde Dir doch guttun! Nimm den Massimo mit, wenn Du willst, es ist schön hier, es wird ihm auch gefallen. Voilà, mein Amimour, nun wird es Zeit für mich. Adieu, mein Liebli, Schatzi, ich liebe Dich, nur noch wenige Monate, und Du wirst Madame Israël sein! ICH LIEBE DICH, Dein Ehemann, Abel.
     
    So oft sie konnte, reiste sie ihm nach. Mondaines Fotobücher füllten sich mit Bildern der Orte, die gerade angesagt waren, und Kostümen, nach denen die Schweizer Touristikwelt rief. Abel verkleidet als Seemann, Abel als Zigeunerprímás, Abel verkleidet als Gefängnisinsasse, Abel als Hirte, Cowboy, Senner oder im Frack. Die Instrumente variierten ebenso wie die Zusammensetzung der Orchester. Aber immer war Abel das Zentrum, die gute Macht. Sie reisten mit gemieteten Fahrern in Autos, oder sie reisten mit einem Tourbus. Sie reisten zu Fuß oder per Zug. Landaufund landab, immer in internationaler

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