Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ruinen von Gorlan

Die Ruinen von Gorlan

Titel: Die Ruinen von Gorlan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Flanagan
Vom Netzwerk:
Windes bildeten ein ständiges Hintergrundgeräusch. Aber Will fing auch an, andere Geräusche zu hören – das Rascheln kleiner Tiere im Gras und weitere, weniger leicht erklärbare Laute. Mit jedem neuen schlug sein Herz ein wenig schneller und er fragte er sich, ob das vielleicht die Kruls waren, die sich an seine schlafenden Freunde anschlichen. Einmal war er überzeugt, den Atem eines großen Tieres zu hören. Angst stieg in ihm auf und drückte seine Kehle zu, bis ihm klar wurde, dass er mit seinen aufs Äußerste angespannten Sinnen tatsächlich seine beiden Gefährten in ihrem Schlaf atmen hörte.
    Er wusste, dass er für das menschliche Auge beinahe unsichtbar war, dank des Umhangs, der Schatten und des Gebüsches, neben dem er saß. Aber er fragte sich, ob die Kruls allein auf ihre Sehkraft angewiesen waren. Vielleicht besaßen sich ja noch andere Sinne, die ihnen verrieten, dass da ein Feind versteckt war. Vielleicht waren sie gerade jetzt, in diesem Augenblick, dabei, sich anzuschleichen, verdeckt durch das lange, sich bewegende Gras, bereit zuzuschlagen …
    Seine Nerven, die bereits von dem bedrückenden Wehklagen der Steinernen Flöten bis zum Zerreißen angespannt waren, drängten ihn, herumzuwirbeln und die Quelle jedes neuen Geräusches zu identifizieren, sobald er es hörte. Doch er wusste, dass er sich damit nur selbst verraten würde. Er zwang sich zu langsamen Bewegungen, drehte sich vorsichtig um, bis er in die Richtung sah, aus der er meinte, dass das Geräusch gekommen sei. So schätzte er jede neue mögliche Gefahrenquelle sorgfältig ab.
    In den langen Stunden angespannter Wache sah er nichts außer Wolkenzügen, dem langsam dahinziehenden Mond und dem wogenden Meer aus Gras. Als der Mond schließlich den von Walt angegebenen Stand erreicht hatte, war Will körperlich und geistig völlig ausgelaugt. Er weckte Gilan, dann rollte er sich wieder in seinen Umhang.
    Diesmal träumte er nicht. Erschöpft schlief er tief und fest bis zum grauen Licht der Morgendämmerung.

    Sie sahen die Steinernen Flöten am späten Vormittag – ein schmaler grauer Kreis von Granitsteinen, der auf einem Hügel im Tiefland stand. Ihre geplante Wegstrecke führte in einiger Entfernung an den Steinen vorbei und Will war froh, dass sie nicht näher heran mussten. Das deprimierende Jammern war jetzt lauter denn je, stieg mit der Stärke des Windes an oder ebbte wieder ab.
    »Der nächste Flötenspieler, der mir über den Weg läuft«, sagte Gilan mit grimmigem Humor, »sollte sich vor mir in Acht nehmen.«
    Sie setzten ihren eintönigen Weg Stunde um Stunde fort, ohne irgendetwas Neues zu sehen, und immer mit dem Geheul der Steine im Rücken, das ihre Nerven strapazierte.

    Der Tieflandbewohner erhob sich plötzlich aus dem Gras seitlich von ihnen. Er war klein und in graue Lumpen gehüllt, das lange Haar hing ungekämmt über die Schultern. Mit einem fast irren Blick sah er sie einige Sekunden lang an.
    Will hatte sich kaum von dem Schock seines plötzlichen Auftauchens erholt, als der Mann auch schon weg war. Vornübergebeugt rannte er davon. Innerhalb von Sekunden war er nicht mehr zu sehen, von dem hohen Gras wie verschluckt. Walt wollte ihm schon auf Abelard folgen, doch dann hielt er inne und schoss auch den Pfeil, den er angelegt hatte, nicht ab. Auch Gilan war schussbereit, seine Reaktionen waren genauso schnell wie die des alten Waldläufers. Fragend blickte er zu seinem Lehrmeister.
    Walt zuckte mit den Schultern. »Kann harmlos sein«, sagte er. »Kann jedoch auch sein, dass er die Kruls alarmiert. Aber wir können ihn ja wohl schlecht auf den bloßen Verdacht hin töten.«
    Gilan lachte kurz auf, mehr um die Spannung zu lockern, die sich bei dem unerwarteten Auftauchen des Mannes eingestellt hatte.
    »Ich nehme an, da ist kein großer Unterschied«, sagte er, »ob wir die Kruls finden oder sie uns.«
    Walt schaute ihn ohne das geringste Anzeichen von Humor an. »Glaub mir, Gilan«, sagte er, »das ist ein großer Unterschied.«
    Sie hatten inzwischen die schnelle Marschgeschwindigkeit aufgegeben und ritten langsam durch das hohe Gras. Hinter ihnen wurde das Jammern der Steine allmählich immer leiser, was Will sehr erleichterte. Der Wind trug das Geräusch nun wohl in eine andere Richtung.
    Es verging einige Zeit nach dem plötzlichen Auftauchen des Steppenbewohners ohne ein weiteres Anzeichen von Leben. Eine Frage hatte Will schon den ganzen Nachmittag beschäftigt.
    »Walt?«, sagte er vorsichtig.

Weitere Kostenlose Bücher