Die Ruinen von Gorlan
einen Kreis, genau in der Mitte des Tieflands, dort, wo es am windigsten ist. Niemand hat je ihren ursprünglichen Zweck entdecken können, aber sie sind genau so angeordnet, dass der Wind um den Steinkreis herum und durch eine Reihe von Löchern in den Steinen selbst geleitet wird. So entsteht ein unablässig wehklagender Laut, wobei es mir allerdings nicht klar ist, wie irgendjemand auf die Idee kommen konnte, er gliche Flötentönen. Der Klang ist unheimlich und schrill und man hört ihn meilenweit. Nach ein paar Minuten macht er dich verrückt – doch es geht stundenlang so.«
Will schwieg. Der Gedanke an eine windgepeitschte Tiefebene und wehklagende Steine schien der späten Nachmittagssonne den letzten Hauch von Wärme zu nehmen. Unwillkürlich schauderte er. Walt bemerkte es und beugte sich vor, um ihm aufmunternd auf die Schulter zu klopfen.
»Nur Mut«, sagte er. »Nichts ist so schlimm, wie es sich anhört. Jetzt lasst uns ausruhen.«
Sie erreichten die Grenze zum Einsamen Tiefland am zweiten Tag um die Mittagszeit. Walt hatte Recht, dachte Will, es ist ein unendlich trostloser Ort. Das eintönige Land erstreckte sich meilenweit vor ihnen, bedeckt von hohem grauem Gras das von dem ständigen Wind rau und trocken geworden war.
Der Wind selbst schien beinahe wie ein lebendes Wesen. Er ging ihnen auf die Nerven, wie er unablässig aus Westen blies und das hohe Gras niederbeugte.
»Jetzt weißt du, warum man es das Einsame Tiefland nennt, oder?«, sagte Walt zu Will und zügelte Abelard, damit die anderen beiden neben ihm reiten konnten. »Wenn man in diesen verdammten Wind hineinreitet, fühlt man sich, als sei man der einzige noch lebende Mensch auf Erden.«
Stimmt, dachte Will. Er fühlte sich klein und unwichtig in der Weite dieser Ebene. Und mit dem Gefühl der Unwichtigkeit kam auch das Gefühl von Unfähigkeit. Die Steppe, über die sie ritten, schien auf geheimnisvolle, verborgene Kräfte hinzuweisen – Kräfte, die weitaus größer waren als menschliche Fähigkeiten. Selbst Gilan, der normalerweise fröhlich und überschwänglich war, schien von der niederdrückenden Atmosphäre des Ortes berührt zu werden. Nur Walt war unverändert – grimmig und wortkarg wie eh und je.
Während sie so dahinritten, wurde Will immer unruhiger. Etwas außerhalb seiner bewussten Wahrnehmung machte ihm zu schaffen. Etwas, wodurch er sich sehr unwohl fühlte. Er konnte es nicht fassen, konnte nicht einmal sagen, woher genau es kam oder welcher Art es war. Es war einfach ein ungutes Gefühl, das nicht weggehen wollte. Er bewegte sich im Sattel und stellte sich in die Steigbügel, um den weiten Horizont abzusuchen, in der Hoffnung, die Quelle dieses Unwohlseins zu entdecken.
Walt bemerkte seine Unruhe. »Du hast sie also wahrgenommen«, sagte er. »Es sind die Steine.«
Jetzt, wo Walt es ausgesprochen hatte, wurde Will bewusst, dass es ein Klang gewesen war, der dieses ungute Gefühl bei ihm ausgelöst hatte. Das Geräusch war so schwach und gleichzeitig so durchdringend gewesen, dass er es anfänglich nicht bewusst wahrgenommen hatte. Kaum hatte Walt ihn darauf aufmerksam gemacht, kamen sie auch schon in die Reichweite der Steinernen Flöten. Jetzt konnte er den Klang genauer ausmachen. Es waren unmelodische Töne, die alle auf einmal gespielt wurden und dadurch einen absolut misstönenden Klang schufen, der den Geist beunruhigte. Wills Hand wanderte während des Rittes unwillkürlich an den Griff seines Messers. Die Waffe fühlte sich fest und zuverlässig an. Allein sie zu berühren, beruhigte und tröstete ihn ein klein wenig.
Sie ritten den ganzen Nachmittag so weiter, schienen in diesem Ödland ohne größere landschaftliche Besonderheiten jedoch kaum weiterzukommen. Der Horizont blieb stets gleich, weder wich er hinter ihnen zurück, noch rückte er vor ihnen näher. Es war, als ob sie in einer leeren Welt auf der Stelle träten. Das Wehklagen der Steinernen Flöten begleitete sie den ganzen Tag und wurde allmählich stärker. Das war das einzige Zeichen, dass sie tatsächlich vorankamen. Die Stunden gingen vorbei und das Geräusch hielt an, doch dadurch war es auch nicht leichter zu ertragen. Es zerrte an Wills Nerven und hielt ihn ständig unter Anspannung. Als die Sonne am westlichen Rand unterging, zog Walt Abelards Zügel an.
»Wir werden jetzt ein Nachtlager aufschlagen«, kündigte er an. »Es ist unmöglich, bei diesem sternenlosen Himmel in der Dunkelheit die Richtung beizubehalten. Ohne
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