Die Runen der Erde - Covenant 07
auflodern.
Liands besorgtes Gesicht schob sich wieder vor das ihre, füllte ihr ganzes Blickfeld aus. Der Steinhausener saß auf dem Rand ihres Lagers, beugte sich über sie, strich ihr über das Haar. »Linden«, sagte er leise, als ihre Blicke sich begegneten. »Es ist schön, dich wieder wach zu sehen. Ich hatte Angst, dieser Schüttelfrost würde anhalten, bis er die Sehnen deines Geistes durchgescheuert hätte.«
Liand, wollte sie sagen. Oh, Liand. Aber sie brachte kein Wort heraus.
Tränen ließen seine Augen vorübergehend glänzen. »Bist du dazu imstande, musst du sprechen. Ich würde dich zum Schweigen drängen, aber in dir steckt eine Krankheit, die uns ratlos macht. Du selbst musst sagen, was zu deiner Heilung nötig ist. Du musst uns helfen. Brauchst du Heilerde? Die Mähnenhüter haben bereits Seilträger entsandt, um welche holen zu lassen, aber der Weg ist lang, und sie werden nicht so rasch zurückkehren. Können Schatzbeeren dich genesen lassen? Die Ramen haben sie massenhaft gesammelt. Und Amanibhavam, wenn du dessen bedarfst. Du musst nur sprechen ...«
Sie schüttelte den Kopf und versuchte, ihn zu unterbrechen. Sie wollte ihm sagen, dass sie nicht so krank war, wie sie wahrscheinlich aussah – oder zumindest auf andere Weise krank. Aber die Nachwirkungen des Rösserrituals füllten ihren Mund mit Asche, und ihre Zunge und Kehle hatten vergessen, wie man Wörter formte.
Während Liand bittend auf sie einredete, verließ Char seinen Platz am Feuer und hastete aus der Wohnstätte. Linden hörte ihn in der Ferne rufen: »Die Ring-Than erwacht!«
O Gott.
Linden schloss die Augen, bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.
Gib mir Mut.
Dann schob Liand ihr einen Arm unter die Schultern und richtete sie in eine halb sitzende Position auf. Sorgsam, fast ehrfürchtig hielt Pahni ihr eine Schale Wasser an die Lippen, aus der zarter Aliantha -Duft aufstieg.
Linden ließ die Hände sinken und trank kleine Schlucke von dem Wasser, das mit dem Saft von Schatzbeeren versetzt war. Auf diese sanfte Weise von Erdkraft gestärkt, fand sie endlich Worte.
»Liand.« Ihre Stimme war ein dünnes Krächzen, kaum hörbar. »Halt mich einfach so fest. Du gibst mir bereits ...« Sie trank noch etwas Wasser. »... was ich brauche. Halt mich, bis ich wieder allein stehen kann.«
Er trat sofort hinter sie, richtete sie etwas mehr auf, legte die Arme um sie und ließ sie an seiner Brust ruhen. Unsicher flüsterte er: »Aber dieses Fieber, Linden ...«
Sie schüttelte den Kopf. »Mir geht es schon wieder gut.« Liands fürsorgliche Art drohte ihre Entschlossenheit zu schwächen. Sie durfte sich nicht eingestehen, dass sie ohne weiteres scheitern konnte. Dafür war ihr Selbstbewusstsein zu fragil ... »Du bist mein Freund. Das reicht.«
Linden griff erneut nach Pahnis Schale und leerte sie mit einem Zug; dann versuchte sie, sich zu erheben.
»Nein«, widersprach Liand. »Linden, das ist zu früh. Der Sturm hat dich schlimm mitgenommen – wie zuvor das Rösserritual. Du musst jetzt ruhen. Vielleicht bist du morgen wieder kräftig genug. Aber nicht jetzt. Jetzt ist es zu früh.«
Trotzdem versuchte sie, auf die Beine zu kommen. Liand täuschte sich, was ihren Zustand betraf; sie war nicht körperlich krank. Und sie hatte lange und warm geschlafen. Sie hatte mehr als genug Schatzbeeren gegessen. Ihre momentane Schwäche würde verfliegen, sobald sie sich wieder bewegte.
Liand hätte sie festhalten können, aber das tat er nicht. Stattdessen gab er nach und half ihr aufzustehen. Im ersten Augenblick hatte sie Mühe, das Gleichgewicht zu halten; dann jedoch verging ihre Unsicherheit, und sie konnte allein stehen.
Sie zitterte noch immer.
Während sie versuchte, Liand mit einem Lächeln zu beruhigen, betrat eine kleine Gruppe von Ramen die Wohnstätte: Hami, Mahrtiir und zwei oder drei Seilträger.
Stave begleitete sie. Wie immer konnte sie seine emotionale Verfassung nicht erkennen. Sie sah nur, dass er wieder im Vollbesitz seiner Kräfte war – und dass die Schmerzen in seiner Hüfte anscheinend nachgelassen hatten.
Die Nässe im Haar und auf den Gesichtern der Eintretenden machte Linden erstmals darauf aufmerksam, dass der Regen nicht aufgehört hatte. Aber er fiel jetzt sanfter, wurde nicht länger von stürmischen Winden gepeitscht. Und er war wärmer, frühlingshafter geworden.
Das Übel, das ihr nach dem Rösserritual zugesetzt hatte, hatte seine Energie verausgabt und war aus den Wolken verblasst.
Esmer
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