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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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müssen. Sie konnte Lord Foul nicht herausfordern, um das Land zu verteidigen, ohne ihren Sohn zu verlassen, und das würde sie nicht tun. Ganz gleich, wie viele Menschen deshalb umkamen oder wie viel Schönheit zerstört werden würde.
     
    *
     
    Auf der Heimfahrt suchte sie unwillkürlich jedes Gesicht ab, das sie sah, und begutachtete jede Gestalt, an der sie vorbeikam. Ihre Unruhe ließ ihr jeden Mann, den sie nicht kannte, älter und irgendwie ausgefallen erscheinen, und die Farbe Ocker huschte wieder und wieder am Rande ihres Gesichtsfeldes entlang. Den Greis aber sah sie nicht.
    Bald erreichte sie ihr Ziel: ein kleines einstöckiges Holzhaus, das sie gekauft hatte, als sie beschlossen hatte, Jeremiah zu adoptieren. Nachdem Linden in der kurzen Einfahrt geparkt hatte, blieb sie noch einige Minuten lang im Wagen sitzen und gönnte sich diese flüchtige Gelegenheit, ihre Sorgen beiseitezuschieben und sich auf ihren Sohn zu konzentrieren. Die Dankbarkeit, die sie oft empfand, wenn sie nach Hause kam, half ihr, sich diesem Teil ihres Lebens zuzuwenden. Um das Haus brauchte sie sich nicht selbst zu kümmern. Ein Nachbar, dessen Sohn sie nach einem schweren Verkehrsunfall durch eine nächtliche Notoperation gerettet hatte, nahm ihr die Rasenpflege ab. Die Familie eines Mannes, der zu ihren ersten Erfolgen im Berenford Memorial gehört hatte, führte sämtliche Wartungsarbeiten durch, reparierte das Dach, wenn es mal undicht war, stellte die Wärmepumpe der Jahreszeit entsprechend um und strich ihr alle paar Jahre sämtliche Wände. Und zweimal in der Woche kam eine dankbare Ehefrau ins Haus, um zu kochen und zu putzen, zu waschen und zu bügeln – aus schlichter Dankbarkeit dafür, dass Linden ihren depressiven Ehemann betreute. Linden wusste diese Hilfe zu schätzen; sie vereinfachte ihr Leben gewaltig. Und sie war dankbar dafür, in einer Gemeinde zu leben, die zu schätzen wusste, was sie leistete. Ihre Dankbarkeit für Jeremiah aber war zu groß, um sich mit Worten ausdrücken zu lassen. Er war der Mittelpunkt ihres Lebens. Er gab ihr Gelegenheit, die Liebesfähigkeit zu gebrauchen, die sie von Covenant, von Sunder und Hollian, von Pechnase und der Ersten, von dem Land gelernt hatte. Jeremiahs bloße Existenz schien ihr Daseinsberechtigung zu verleihen. Der Junge glich einer in ihrem Inneren erblühten Blume: zart und unendlich kostbar. Linden hätte sie nicht entfernen oder sich von ihr abwenden können, ohne sich selbst die Brust aufzureißen. Die Tatsache, dass ihre Blütenblätter von der Faust des Verächters zerquetscht worden waren und ihre ursprüngliche Form, ihren natürlichen Duft nie zurückgewonnen hatten, bewirkte nur, dass sie Jeremiah noch mehr liebte. Solange er ihr erhalten blieb, würde sie nie ganz den Mut verlieren.
    Thomas Covenant hatte ihr erklärt, manche Entscheidungen könnten einfach nichts Böses bewirken, selbst wenn sie dem Land noch so sehr zu schaden schienen. Als er aufgefordert worden war, Schwelgenstein mit einem letzten Aufgebot zu verteidigen, hatte er abgelehnt – nicht etwa, weil er das Land nicht liebte, sondern weil in seiner richtigen Welt ein kleines Mädchen von einer Klapperschlange gebissen worden war und seine Hilfe gebraucht hatte. Das hatte seine Rückkehr ins Land um viele Tage verzögert, und in dieser schrecklichen Zeit waren viele der tapfersten Verteidiger des Landes gefallen. Trotzdem hatte er durch die Umstände der Verzögerung Lord Foul mit Methoden angreifen können, die ihm sonst vielleicht nicht zur Verfügung gestanden hätten, und letztlich hatte Covenants Zurückweisung des Landes zugunsten eines kleinen Mädchens die Niederlage des Verächters bewirkt. Linden betete darum, Covenants Gewissheit möge auch für sie Gültigkeit besitzen.
    Dann stieg sie aus, ging die Stufen zur Veranda hinauf und sperrte die Haustür auf. Dahinter begann Jeremiahs Reich, und Linden musste sofort den Kopf einziehen. In ihrer Abwesenheit war in der kleinen Diele zwischen dem Wohnzimmer auf einer Seite, dem Esszimmer auf der anderen und der Treppe in den ersten Stock ein burgartig hohes Schloss aus Tinker Toys erwachsen. Auf beiden Seiten ragten Türme aus Holzstäben und runden Verbindungsstücken auf. Hätte sie sich nicht geduckt, wäre sie mit dem Kopf an den Verbindungswehrgang zwischen ihnen gestoßen. Weitere Wehrgänge verbanden die Türme mit der eigentlichen Burg, hinter der noch mehr Türme aufragten. Der gesamte Bau war nicht nur ungeheuer kompliziert,

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