Die Runen der Erde - Covenant 07
machte einige Schritte und ließ sich auf einen vorspringenden Stein in der ersten Sitzreihe nieder. Indem sie den Stab quer über ihre Knie legte, bedeutete sie ihren Gefährten, sich zu ihr zu setzen.
Mahrtiir und Liand nahmen widerstrebend rechts und links von ihr Platz, während die Seilträger sich hinter sie setzten. »Linden«, flüsterte Liand sofort, »diese Sache gefällt mir nicht. Die Meister sind unnachgiebig. Indem du ihnen gestattest, dich anzuklagen, verleihst du ihnen mehr Glaubwürdigkeit, als ihnen zusteht.«
»Der Steinhausener spricht wahr«, stellte Mahrtiir etwas lauter fest. »Du stehst über diesen Bluthütern. Mit deiner Zustimmung erweist du ihnen allzu viel Ehre.«
»Und du hast nichts Unrechtes getan«, fügte Liand hinzu. »Warum sollten sie also gegen dich sprechen dürfen?«
Linden sah keinen der beiden an. Sie erwiderte auch Handirs Blick nicht. Stattdessen konzentrierte sie ihre Aufmerksamkeit auf Stave.
»Vertraut mir«, antwortete sie leise. »Das hier muss sein.« Aneles Notlage erforderte ebenso wie Jeremiahs, dass sie sich der Anklage stellte. »Sie mögen sich Meister nennen, aber sie bleiben doch Haruchai ...« Männer, die von der Erhabenheit der Alt-Lords so eingenommen gewesen waren, dass sie auf Liebe und Schlaf und Tod verzichtet hatten, um ihren Diensteid zu erfüllen. »Es ist möglich, sie zu überzeugen.«
Hoch-Lord Kevin hatte sie irgendwie überzeugt ...
Der Mähnenhüter sah sich aufgebracht um, protestierte jedoch nicht weiter. Mit einer Geste des Unbehagens gab auch Liand nach.
Linden beobachtete weiter Stave und wartete darauf, dass die Anklagen beginnen würden. Obwohl Handir die Stimme der Meister war, rechnete sie nicht damit, dass er ihre Untaten aufzählen würde. Alle wichtigen Fragen betrafen nur Stave und sie. Er war ihr Begleiter gewesen, hatte ihr geholfen und war in ihrem Dienst schwer verletzt worden. Und sie hatte ihn beschämt ... Sie wusste intuitiv, dass er ihr Ankläger sein würde.
»Aus Höflichkeit«, kündigte Handir an, »werden wir sprechen wie die Bewohner des Landes, obwohl wir uns gewöhnlich anders verständigen. Die Auserwählte soll alles hören, was über sie gesagt wird.«
Mit ernstem Nicken trat Stave in die Mitte des deformierten Steinbodens. Ohne Lindens Blick zu erwidern, sprach er zur ganzen Klause, als sei sein gesamtes Volk anwesend.
»Sie ist Linden Avery die Auserwählte«, stellte er nüchtern fest, »zur Zeit des Sonnenübels die Gefährtin von Ur-Lord Thomas Covenant des Zweiflers. So viel ist sicher. Das haben meine Nachforschungen ohne jeden Zweifel ergeben. Sie hat den Zweifler auf seiner Suche nach dem Einholzbaum begleitet. Mit ihm ist sie nach Schwelgenstein zurückgekehrt, um das zweifache Übel der Sonnengefolgschaft und des Sonnenfeuers auszurotten. An seiner Seite hat sie im Kiril Threndor einen neuen Stab des Gesetzes erschaffen – jenen Stab, der verloren war und jetzt wiedergefunden wurde. Von Thomas Covenant hat sie den Weißgoldring erhalten, der zugleich der größte Segen des Landes und sein verheerendster Fluch ist.«
Immerhin, dachte Linden, während sie ihm zuhörte, spielt er fair. Er war bereit einzugestehen, wer sie war und was sie geleistet hatte, selbst wenn Handir und die Gedemütigten dies nicht wünschten.
»Sobald ich wusste, dass sie in der Tat die Auserwählte war«, fuhr Stave ohne Pause fort, »wollte ich sie ehren, indem ich ihr die Überzeugungen und Ziele der Meister darlegte. Ich habe ihr geschildert, welche unabwendbaren Schäden jeder Gebrauch von Erdkraft nach sich zieht. Und ich habe ihr die Hilfe und Unterstützung der Meister für jedes angemessene Unternehmen im gemeinsamen Kampf gegen den Verderber angeboten.
Sie hat unfehlbar mit offenem Widerstand reagiert. Bei jeder Gelegenheit hat sie meinem Rat zuwider gehandelt. Und sie hat immer wieder versucht, uns Anele zu entziehen, obgleich sein Wahnsinn die von seiner Erdkraft ausgehende Gefahr nur verstärkt.«
Linden, die Gelassenheit heuchelte, nahm sich etwas von Liands Brot und Käse und aß davon, als stünden hier nicht ihr eigenes Herz und Jeremiahs Leben auf dem Spiel. Innerlich wand sie sich jedoch so vor Frustration und dem Drang, sich empört zu verteidigen, dass sie kaum schlucken konnte.
»Ich gestehe ein«, erklärte Stave, »dass ihr Widerstand auch unerwartete Vorteile gebracht hat. Weil sie vor mir geflüchtet ist, wissen wir jetzt, dass die Ranyhyn und ihre Ramen noch leben. Das ist ein Segen,
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