Die Runen der Erde - Covenant 07
Türen. Wie eine Schwerverbrecherin. Nach allem, was sie durchgemacht hatte ...
»Sie wollte wissen, warum«, fuhr er fort. »Sie ist richtig hysterisch geworden. Also hab ich es ihr gesagt.«
Linden starrte den Sheriff an. Aus seinem Blick sprachen alle möglichen Konflikte. Ihr Piepser meldete sich erneut; diesmal schaffte sie es jedoch nicht, ihn zu ignorieren. »Gesagt ...?«, fragte sie mit schwacher Stimme.
»Die Wahrheit, Doktor Avery.« Seine Stimme klang vor Abscheu heiser. »Ihr Ex war ein gottverdammter Leprakranker. Und sie hatte ihn geheiratet, bevor seine Krankheit ausgebrochen war. Also hatte sie vermutlich auch Lepra. Teufel, sie hat sie vermutlich noch. Zumindest hat sie die verdammten Erreger im Leib. Ich habe sie hinten mitfahren lassen, weil ich nicht angesteckt werden wollte.«
Linden hörte den Unterton in seiner Stimme. Er versuchte, seine Entscheidung gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Aber es gelang ihm nicht. Das verhinderte die schlichte Grausamkeit seines damaligen Handelns.
Bevor sie reagieren konnte, beugte er sich wieder über den Schreibtisch: »Das beunruhigt Sie, nicht wahr, Doktor? Sie können nicht fassen, dass ich so gemein zu ihr gewesen bin. Aber scheiß drauf! Wir hätten schon vor zehn Jahren über Ihre Beteiligung an diesem Mord reden sollen. Auch Sie waren eine Mittäterin, aber der heilige Julius Berenford hat Sie in Schutz genommen. Sie und er haben gemeinsam die Wahrheit unterdrückt. Ich bin der Sheriff dieser County, und Sie haben mich daran gehindert, meine Pflicht zu tun. Jetzt versuchen Sie es wieder, aber diesmal lasse ich Ihnen das nicht durchgehen. Ich werde sie ohne Ihre Hilfe aufspüren. Und habe ich sie erst mal gefunden, sorge ich dafür, dass Sie nicht wieder das Unschuldslamm spielen können.« Er richtete sich auf, machte kehrt und stapfte aus ihrem Büro. Schon bevor er die Eingangshalle erreichte, begann er seinen Deputies Befehle zuzurufen.
Linden fluchte leise. Sie hätte ihm sagen können, wo er Roger suchen sollte. Das hätte sie tun sollen. Aber sie traute ihm nicht. Er war zu gewaltbereit. Seine Lösung für Joans Dilemma konnte bedeuten, dass zuletzt niemand mehr am Leben blieb.
Ihr Piepser zirpte erneut, und widerstrebend warf sie einen Blick auf das Display. Im ersten Augenblick erkannte sie die angezeigte Telefonnummer nicht. Sie starrte sie mit gerunzelter Stirn an, während sie auf den Knopf drückte, der den Piepser zum Schweigen brachte.
Wer ...?
Dann wusste sie es: Megan Roman. Dies war Megans private Telefonnummer.
Linden ächzte halblaut. Sie fühlte sich der Aufgabe, Megan jetzt von Bill und Joan und Sara zu erzählen, nicht gewachsen. Aber was sollte sie sonst tun, nachdem sie Barton Lytton jetzt vertrieben hatte? Sich allein auf die Suche nach Roger Covenant machen? Nein. Sie würde nicht auf diese Weise ihr Leben riskieren und so Gefahr laufen, Jeremiah allein und hilflos zurückzulassen. Und unter Umständen konnte Megan ihr doch irgendwie behilflich sein. Vielleicht kannte sie jemanden bei der State Highway Patrol. Oder noch besser beim FBI. Für Verbrechen wie Entführungen war automatisch das Federal Bureau of Investigation zuständig, nicht wahr? Megan konnte vielleicht erreichen, dass für Joans – und Saras – Notlage nicht mehr Lytton zuständig war.
Linden schluckte ihr Widerstreben hinunter, nahm den Hörer ab und tippte Megans Nummer ein.
Die Anwältin hob nach dem ersten Klingeln ab. »Ja?«
»Megan, ich bin's, Linden.«
»Linden! Um Gottes willen, wo bist du?« Das Drängen in Megans Stimme schien Linden in den Sessel zurückzuwerfen. Megans Tonfall zeugte von Unheil, neue Gefahren, die Linden bisher nicht bedacht hatte. »Megan, was ist passiert?«
» Verdammt noch mal, Linden!«, schrie Megan sie an. »Hör mir doch zu! Wo bist du? In der Klinik?«
»Ja, ich ...«, begann Linden stockend.
»Dann fahr nach Hause!«, verlangte Megan. »Sofort! Lass alles liegen und stehen. Hör zu! Ich habe gehört, was passiert ist. Roger und Joan. Sara Clint. Bill Coty. Ich habe ...« Erst geriet sie ins Stocken; dann verstummte sie abrupt. Das Summen aus dem Hörer klang in Lindens Ohren wie ein Klagelaut.
»Megan?«, drängte Linden. »Megan?«
»Oh, Linden.« Megans Tonfall veränderte sich übergangslos. Jetzt schien sie in Tränen aufgelöst zu sein. »Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht. Ich habe Roger gegenüber Jeremiah erwähnt. Vor ein paar Tagen. Er hat sich nach dir erkundigt. Ich habe ihm
Weitere Kostenlose Bücher