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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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durch eine Kurve. Die Fliehkraft zog sie nach außen. Sie hämmerte erneut auf das Armaturenbrett. Verdammt, sie hätte Sandy aus der Klinik anrufen oder Megan bitten sollen, das für sie zu erledigen. Sie war schon allzu lange fort aus dem Land, war es nicht mehr gewöhnt, gegen Schergen des Verächters zu kämpfen.
    Noch drei Häuser. Noch zwei. Dann erreichte sie ihr Haus.
    Der Wagen kam mit quietschenden Reifen am Kantstein zum Stehen. Sie machte sich nicht die Mühe, in ihre Einfahrt zu fahren oder vorschriftsmäßig zu parken. Wetterleuchten zuckte über den Himmel; eine durch den Winddruck ausgelöste statische Entladung blendete sie, als sie sich aus dem Auto stemmte und die Haustür sperrangelweit offen stehen sah.
    Jeremiah ...!
    Sie schien in Laken und Lumpen gehüllt vorwärts zu stürmen, vom Wind angeschoben und an die Hausfassade gedrückt. Der Rasen und die Verandatreppe bedeuteten ihr nichts. Sie hatte nur Augen für die im Wind hin und her schlagende Haustür mit dem durch Schüsse demolierten Schloss, sah nur das zerstörte Märchenschloss, mit dessen Trümmern die Diele übersät war.
    Roger hatte überall Licht brennen lassen, als wolle er sie zu Hause willkommen heißen. Natürlich. Woher hatte er gewusst, wo Jeremiah zu finden war? Er musste Sandy mit der Pistole bedroht haben, während er ein Zimmer nach dem anderen durchsucht hatte. Oder hatte er sie etwa ...
    Obwohl Linden befürchtete, sie könnte weiteres Blut entdecken, suchte sie rasch die Tinker Toys, den Wohnzimmerteppich und den Durchgang zur Küche ab. Aber sie sah nichts, was darauf schließen ließ, er könnte Sandy etwas angetan haben.
    Er hatte eine andere Verwendung für ihr Leben.
    Auf dem Weg in den ersten Stock nahm sie je zwei Stufen auf einmal. Sie stürmte mit wehendem Mantel und unbeschuhten Füßen hinauf, um ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt zu finden. Auch oben brannte überall Licht. Roger war in sämtlichen Zimmern gewesen, hatte keinen Raum ihres Heims unentweiht gelassen. Das ganze Obergeschoss war strahlend hell beleuchtet, als würde sie zu einer Totenwache begrüßt.
    Er hatte alles durchsucht ...
    Jeremiahs Bett war leer. Roger Covenant hatte weder die Türme noch die Schienenverbindungen zwischen ihnen angefasst. Er hatte nichts zerstört. Er hatte nur ihren Sohn mitgenommen.
    Linden blieb außer Atem stehen. Ihr Entsetzen und ihre Wut ließen sie nicht los, stattdessen schien sie dadurch auf eine neue Bewusstseins- und Existenzebene gehoben zu werden. Von einem Herzschlag zum anderen war sie nicht mehr Linden Avery, die in Panik geraten oder vor Angst gelähmt sein konnte. Den Platz dieser Frau nahm jetzt Linden Avery die Auserwählte ein, die im Namen derer, die sie liebte, über Wüteriche und Verzweiflung gesiegt hatte.
    Sie wusste, was Roger tun würde. Und sie hatte schon alle Entscheidungen getroffen, die ihr abverlangt werden würden.
    Bedächtig, sich jetzt ihrer selbst sicher, ging sie in ihr Zimmer, um sich umzuziehen. Sie konnte dem Verächter nicht auf Strumpfsocken, nur mit einem leichten Mantel über ihrer aus Rock und Bluse bestehenden Arbeitskleidung gegenübertreten.
    Roger hatte ihr Zimmer verwüstet. Er hatte alles, was auf Kommode und Toilettentisch gestanden hatte, zu Boden gewischt, hatte alle Schubladen ausgeleert und den Kleiderschrank durchwühlt. Kosmetika, Ohrringe und Shampoos bedeckten den Fußboden im Bad.
    Er hatte aus ihrem Haus mehr als nur Jeremiah mitnehmen wollen.
    Aber er konnte sie nicht länger überraschen; sie hatte die Wahrheit längst erraten. Er hatte gehofft, irgendwo den Ehering seines Vaters zu finden.
    Jetzt wusste sie, weshalb Roger Jeremiah verschleppt hatte. Nicht aus reiner Bösartigkeit oder um sie zu verletzen, weil sie ihm einen Wunsch abgeschlagen hatte – oder weil sie sich gegen den Verächter gestellt hatte. Jeremiah selbst war wertlos: Er besaß keine Macht, hatte keinen Ring. Und Roger brauchte keine weitere Geisel, die ihn vor Sheriff Lyttons Zorn schützen konnte. Jeremiah war allein für Linden wertvoll.
    Roger wollte sie mit Jeremiah erpressen. Hier oder im Land wollte er ihren Sohn dazu benutzen, ihr, Linden, Zugeständnisse abzupressen. Hätte er Jeremiah auch entführt, wenn er den Ring gefunden hätte? Vielleicht. Möglich war natürlich, dass das Weißgold seine Macht verlor, wenn es gestohlen oder durch Gewalttätigkeit entweiht war. Das wusste sie nicht – und es war ihr auch egal.
    Gleichmäßig, ohne Hast, streifte sie ihre

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