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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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erzählt, dass du einen Sohn hast.«
    Linden erstarrte. Aus der Tiefe ihrer Seele drang ein Schrei empor; doch er erreichte ihre Lippen nie.

5

Der Preis von Liebe und Verzweiflung
     
     
    Sie sah alles mit erschreckender Klarheit. Die Kante ihres Schreibtischs wirkte so scharf, als könnte man sich daran schneiden. Auf seiner Oberfläche rieben die durcheinander liegenden Blätter Papier sich in qualvoller Unentschlossenheit aneinander. Die über ihr hängende Wanduhr schien plastisch hervorzutreten; ihre Zeiger waren klar wie Schreie. Der schwarze Kunststoff des Telefonhörers in ihrer Hand schimmerte wie ein Grabstein. Die spiralförmig gerollte Telefonschnur fesselte sie an Megans Stimme.
    Linden hatte ihre Chance vertan, mit Jeremiah zu fliehen. Eine zweite würde sie nicht bekommen.
    Megan sagte: »Linden, es tut mir schrecklich leid.« Und sie sagte: »Fahr sofort nach Hause. Vielleicht habe ich unrecht. Du darfst jetzt nichts riskieren. Mach die Sache nicht schlimmer, als sie durch meine Schuld bereits ist. Keiner braucht dich so wie er.«
    Linden antwortete nicht. Hätte sie etwas gesagt, hätte Megan es nicht verstanden, denn sie hatte den Hörer bereits fallen lassen. Von stummen Schreien angetrieben, stürmte sie aus dem Büro. Die Schöße ihres Mantels flatterten wie Furien hinter ihr her.
    Halt, versuchte sie sich zu befehlen, geh wieder zurück. Angenommen, er hat Jeremiah. Bitte Lytton um Hilfe. Sag ihm, wo er suchen muss, lass dich von ihm mitnehmen, mit deiner Hilfe kann er Roger vielleicht rechtzeitig aufspüren.
    Aber sie blieb nicht stehen, kehrte nicht um, war taub für die Stimme ihrer eigenen Vernunft. Sie stieß die Tür des Personaleingangs auf, und der Wind knallte sie mit solcher Gewalt an die Wand, dass das Sicherheitsglas fast zersplittert wäre. Aber sie hielt sich nicht damit auf, die Tür zu schließen. Stattdessen rannte sie Hals über Kopf zu ihrem Wagen. Der Sturm fiel heulend über sie her, ließ ihr Tränen in die Augen treten. Ihre Absätze klatschten unbeholfen auf den Gehsteig und ließen sie stolpern. Ein Schuh rutschte ihr vom Fuß. Sie streifte auch den anderen ab und rannte auf Strümpfen weiter.
    Er bedroht meinen Sohn!
    Wie viel Vorsprung hatte Roger? Eine halbe Stunde? Eine Stunde?
    Schon eine halbe Stunde war zu viel.
    Als sie ihren Wagen fast erreicht hatte, fummelte sie die Autoschlüssel aus der Manteltasche. Der Wind schien sie ihr aus der Hand zu reißen; die im Lichtschein der Straßenbeleuchtung matt glänzenden Schlüssel fielen in steilem Bogen auf den Asphalt. Linden wurde kaum langsamer, als sie sich nach ihnen bückte und sie aufhob.
    Ihr Auto brauchte sie nicht aufzuschließen; sie sperrte es selten ab. Nur mit Mühe gelang es ihr im Kampf gegen den Sturm, die Fahrertür zu öffnen und hinter das Lenkrad zu gleiten. Sobald sie die Autotür geschlossen und so den Wind ausgesperrt hatte, begann sie zu zittern. Ihre plötzlich kraftlosen Hände flatterten wie von Windstößen aufgewirbelte Papierfetzen, und ihre Finger schafften es nicht, den richtigen Schlüssel zu umfassen. Er entglitt ihr immer wieder, als sie ihn ins Zündschloss zu stecken versuchte. Ihr Herz jagte, während sie sich damit abmühte. Sie knurrte mit zusammengebissenen Zähnen, umklammerte die Schlüssel mit der Faust und hämmerte damit so kräftig auf das Armaturenbrett, dass das Metall sich in ihre Handfläche bohrte.
    Wenn sie versagt, muss ich ihren Platz einnehmen.
    Jeremiah brauchte sie. Keiner braucht dich so wie er.
    Sie rammte den Zündschlüssel ins Schloss, drehte ihn nach rechts. Wie durch ein Wunder sprang der alte Motor diesmal sofort an. Linden stieß zurück, wendete, fuhr vom Parkplatz auf die Straße hinaus und trat das Gaspedal durch.
    Roger kannte diese Kleinstadt nicht. Er wusste nicht, wo Linden wohnte. Selbst wenn er sich den Weg hatte erklären lassen, würde er langsam fahren und in der Dunkelheit Ausschau nach Straßenschildern und Hausnummern halten müssen. Und Sara Clint ... Joan konnte ihm nicht widerstehen; sie war bereits verloren. Aber Sara würde alles versuchen, um ihm zu entkommen oder ihn bei jeder Gelegenheit zu behindern. An Jeremiah konnte er sich nur heranwagen, wenn er es schaffte, sie irgendwie in seine Gewalt zu bringen.
    Er konnte sich nicht rasch bewegen. Erreichte Linden ihr Haus nicht vor ihm, konnte sie ihn vielleicht überraschen, während er dort war.
    Wäre Sandy rechtzeitig gewarnt worden ...
    Der Wind oder ihre Reifen kreischten

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