Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
um die Sache kümmern. Für einen Moment war Sorcha sprachlos.
Als der Erzabt wieder das Wort nahm, war das wenig erhellend. »Ich schicke Euch ins Zentrum der Angriffe, in eine kleine Stadt namens Ulrich. Dort sollt Ihr Nachforschungen anstellen. Seine Kaiserliche Majestät und ich sind der Ansicht, das ist die beste Vorgehensweise.«
Sorcha war verblüfft. Diakone erhielten ihre Aufträge vom Stellvertretenden Presbyter; eine Anweisung direkt vom Erzabt war äußerst ungewöhnlich. Eine Ehre, gewiss – aber keine, über die Sorcha sich sonderlich freute.
Sie wünschte, sie hätte um etwas Stärkeres gebeten als süßen Tee. »Aber es könnte Wochen, vielleicht Monate dauern, bis Kolya wieder einsatzfähig ist«, war das Beste, was sie mit plötzlich ausgedörrter Kehle hervorbringen konnte.
»Deswegen teile ich Euch einen neuen Partner zu, bevor Ihr aufbrecht.«
Sorcha fuhr so energisch zurück, dass sie auf dem bestickten Hocker fast das Gleichgewicht verloren hätte. »Einen neuen Partner? Aber niemand bekommt einen neuen Partner, sofern seine Verbindung nicht gerissen ist oder …« Oder sofern der Partner nicht tot war.
»Auch dafür gibt es einen Präzedenzfall.« Der Erzabt blieb so gelassen wie eh und je, was sie mehr beunruhigte als alles andere. »Und es gilt auch nur für diesen Auftrag. Danach dürfte Kolya sich erholt haben.«
Es wäre töricht gewesen, mit dem Oberhaupt des Ordens zu streiten, doch Sorcha spürte, wie sich ihr der Magen zusammenzog und Galle ihr in die Kehle stieg. Ihre bandagierten Hände begannen zu schmerzen. Vergiss, dass es an Wahnsinn grenzt, ein unerprobtes Duo in ein Krisengebiet zu schicken. Denk nicht darüber nach, dass Partner monatelang trainieren, um perfekt aufeinander abgestimmt zu sein. Der Erzabt stürzte sie in eine Situation, die er anscheinend nicht erklären wollte.
Hastler war ein unvoreingenommener Mann, der seinen Diakonen Zuversicht einflößte. Sie respektierten ihn wie der Kaiser. Als eine der hochrangigsten Partnerschaften im Orden hatten Kolya und Sorcha immer das Gefühl gehabt, das Vertrauen des Erzabts zu genießen. Jetzt jedoch kniff er die Lippen zusammen, als wollte er nie wieder ein Wort zu ihr sprechen. Was das zu bedeuten hatte, wusste sie nicht. In diesem Moment verlangte es sie schmerzhaft nach einer Zigarre, aber sie beschloss, keine Einwände zu erheben. Ihr Mann wäre sehr überrascht gewesen.
Ruhig sprach sie weiter und versuchte, das Beste aus einer schlimmen Situation zu machen. »Wenn wir die Erlaubnis erhielten, ein Luftschiff der Kaiserlichen Flotte zu nehmen, könnten wir vielleicht wesentlich schneller …«
»Die Möglichkeiten des Ordens, darauf zu drängen, einer der kostbaren neuen Apparate des Kaisers möge seine Route ändern, sind beschränkt.« Binnen eines Herzschlags wurde Hastlers freundlicher Blick steinhart und erinnerte Sorcha daran, dass er zwar aussehen mochte wie ein gütiger Großvater, aber weit entfernt davon war, einer zu sein. »Nur unter extremen Umständen würde ich so etwas vorschlagen.«
Sorcha räusperte sich und blickte sehnsüchtig auf ihre leere Tasse. Ihr Mund war staubtrocken. »Ich würde zumindest gern warten, bis Kolya wieder bei Bewusstsein ist, falls Ihr gestattet, Ehrwürdiger Vater?«
Hastler nickte und räumte Tassen und Kanne aufs Tablett. In diesem Moment hatte Sorcha nicht die Kraft, darüber nachzudenken, was die Ursache für sein ungewöhnliches Verhalten sein mochte.
»Setzt Euch zu Eurem Gatten.« Der Erzabt hatte sich abgewandt und sah zu, wie die letzten Blätter des Herbstes von den Bäumen fielen. »Lest auch den Bericht. Ich werde für morgen früh gleich ein Treffen mit Eurem neuen Partner veranlassen.«
»Und die episkopale Untersuchung?«, fragte sie.
»Entfällt. Die Angelegenheit wird diskreter geregelt. Und noch etwas, Diakonin Faris.« Sein Ton wurde distanziert. »Ich würde es vorziehen, wenn Ihr und Euer Gatte nicht über die … ungewöhnliche Natur Eures Erlebnisses sprecht.«
Verglichen mit den Seltsamkeiten, die sie in diesem Raum gehört hatte, war diese Bitte kaum bemerkenswert. Die Ruhe des Vortags schien sehr weit entfernt. Damals waren ihre einzigen Probleme ein Streit mit ihrem Mann und der übereifrige Gent gewesen.
An der Tür hielt sie inne und drehte sich noch einmal um. »Darf ich vielleicht den Namen meines neuen Partners erfahren?«
In der Stimme des Abts lag etwas, das sie vielleicht als Traurigkeit hätte interpretieren können.
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